Mit Trommelwirbel:Unterricht in der Manege

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In Vötting fällt die Schule aus, dafür geht es für die Kinder in den Zirkus. Dort sind sie aber nicht nur Zuschauer. (Foto: Lukas Barth)

Eine Woche lang lernen die Kinder der Grundschule Vötting die Zirkuswelt kennen und treten selbst als Artisten auf.

Von Clara Lipkowski, Freising

Aufgeregt und zappelnd stellen sich zwölf Kinder in Zweierreihen auf. Gleich kommt das Zeichen, dass sie unter Trommelwirbel in das Scheinwerferlicht der Manege laufen können. Sie können es kaum erwarten, an diesem Vormittag ihre Zirkusnummer mit zwei großen roten Bällen den Mitschülern zu präsentieren - aber zunächst nur als Übung, denn die Schüler der Grundschule Vötting proben noch für die Aufführungen am Freitag. Dann feiert die Grundschule Sommerfest und der Kinderzirkus zeigt vier Vorstellungen in dem großen rot-blauen Zelt auf dem Schulgelände.

Alle rund 300 Schülerinnen und Schüler der beiden Schulhäuser in Pulling und Vötting werden in Freising zu Artisten. Je nach Neigung träten die Sechs- bis Zehnjährigen beispielsweise als Zauberer, Clowns, Akrobaten oder Ballkünstler auf, sagt Schulleiterin Elisabeth Gaßner. Statt Unterricht gibt es Übungseinheiten, Probeauftritte in der Manege, Betreuungsstunden mit Bastelaktionen oder Filmvorführungen zum Thema Zirkus.

Der Erstklässler Lorenz ist schon ein bisschen aufgeregt, wenn er an den großen Auftritt am Freitag denkt. Der Siebenjährige studiert mit seiner Gruppe eine Nummer mit einem Poi ein, einem Ball, der von bunten Bändern gehalten an einem Stab kreisend geschwungen wird. "Ich habe zwar etwas ähnliches zu Hause", sagt er, "aber aufgeführt habe ich so etwas noch nie." Auch der Viertklässler Nidal übt schon für Freitag. "Ich bin Kugelläufer" sagt der Zehnjährige. Mit elf Mitschülern präsentiert er ein Stück auf zwei großen schweren roten Gummibällen. Auf einem der beiden balanciert er geschickt auf dem gefährlich zitternden Ball und zeigt dann einen Purzelbaum. "Ich habe nur ein paar Minuten gebraucht, dann habe ich mich dran gewöhnt", sagt er, trotzdem sei er auch schon aufgeregt, wenn er an den Auftrittstag denkt.

Um die Zirkuswoche auf die Beine zu stellen, haben sich alle20 Lehrkräfte der Schule mit 80 Eltern und dem Zirkus ZappZarap zusammengetan. Die Schulleiterin Elisabeth Gaßner ist stolz darauf, "dass so viele mit anpacken", denn von der Idee über die Logistik bis zur Aufführung sei es ein langer Weg, sagt sie, so musste ein großer Stein mit Hilfe eines Feuerwehrautos versetzt werden, damit das Zelt auf dem Grundstück der Schule aufgebaut werden konnte. Um das Zelt zu sichern, ist die Konrektorin Annette Richter sogar eigens in einen Wohnwagen neben dem Zelt gezogen. Außerdem fahren die Schulbusse in der Woche länger als sonst.

Der Zirkus ZappZarap erarbeitet deutschlandweit kindergerechte Zirkusshows nach einem pädagogischen Konzept. Martin Pittasch ist einer von drei Zirkustrainern, die in Vötting im Einsatz sind. Zuerst hat das Team den Lehrern und Eltern die Stücke des Programms beigebracht. Nun studieren die Kinder mit den Betreuern und den professionellen Artisten die Kunststücke ein. "Mit unserem Konzept wollen wir Kinder in ihrer Selbst- und Fremdwahrnehmung stärken", sagt Pittasch. "Kinder, die eher ruhig sind, können hier mal den Schreihals geben und in der ersten Reihe mitmischen." Außerdem legt Pittasch wert darauf, den Kindern die Welt des Zirkus nahe zu bringen, denn "sie lernen, mit einem Lächeln ihre Stücke zu präsentieren, auch wenn mal etwas nicht so gut klappt. Bei uns Zirkusleuten herrscht das Credo: ,Geweint wird hinter'm Vorhang' und das bringen wir den Kindern bei." Unter den Schülern ist "der Martin" allseits beliebt - als er die Manege betritt und die Arme hochreißt, jubeln die Kinder so laut wie noch nie zuvor an diesem Vormittag.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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