Marsch der Non-Citizens:Verschlossene Türen

Lesezeit: 2 min

Bei einem Protestmarsch nach München wandern Flüchtlinge auch durch den Landkreis Freising. Die Quartier-Suche vor Ort gestaltet sich schwierig.

Von Maxi Sperber

Reinhardt Kastorff kümmert sich ehrenamtlich um Asylbewerber, die in Wang untergebracht sind. Gerade hat er alle Hände voll zu tun, denn am heutigen Freitag wird ein Protestmarsch der Asylsuchenden den Landkreis Freising erreichen und in Moosburg Station machen. Um sie zu unterstützen, organisiert der ehemalige Verwaltungsbeamte ein Empfangskomitee, das den Zug ab dem Gasthof Sempt in Wang auf seinem Weg nach Moosburg begleiten wird. Dort übernachten die etwa 25 Asylsuchenden in der Turnhalle der Realschule, Kastorff hat auch das arrangiert.

Tags darauf geht es weiter nach Freising, wo sich die Suche nach einer Unterkunft allerdings deutlich komplizierter gestaltete. Die Anfrage der Protestbewegung lehnte die Stadt Freising ab, weil die Turnhallen bereits gereinigt wurden. "Der Hausmeister und das Reinigungspersonal befinden sich aufgrund der Schulferien im Urlaub", sagte Pressesprecherin Christl Steinhart. Momentan hat man mit der Freisinger Kneipe "Abseits" eine Notlösung gefunden. Da man einerseits den Betrieb nicht stören wolle und die Teilnehmer andererseits in der Regel früh schlafen gingen, sehe man sich aber kurzfristig noch nach einer Alternative um, teilte ein Sprecher mit. Am Sonntag läuft der Tross dann nach Neufahrn, dort will man im Pfarrgarten der evangelischen Kirche zelten. Auch die Neufahrner Turnhallen stehen wegen Renovierungsarbeiten nicht zur Verfügung.

Begonnen haben die Asylsuchenden ihren Protest in Bayreuth. Dort starteten die "Non-Citizens", wie sie sich selbst nennen, am 20. August ihre Aktion mit einer Demonstration, anschließend machten sie sich auf den Weg nach München. Ein zweite Gruppe ist von Würzburg in die Landeshauptstadt unterwegs. Die Flüchtlinge kämpfen für ihre Rechte und kritisieren die bayerische Asylpolitik. Einer ihrer zentralen Kritikpunkte lässt sich auf dem Weg nach Moosburg besonders gut veranschaulichen: Aufgrund der sogenannten Residenzpflicht dürfen sich Asylbewerber in Bayern nur innerhalb ihres Regierungsbezirks bewegen. Allerdings überschreiten die Demonstranten auf ihrem Weg von Landshut nach Moosburg, kurz vor Wang, die Grenze von Niederbayern nach Oberbayern - und machen sich damit strafbar. Europaweit ist die Residenzpflicht einmalig, alleine Bayern und Sachsen halten weiterhin daran fest, die restlichen Bundesländer haben sie auf die Landesgrenze ausgeweitet. Die Asylbewerber fühlen sich in ihrem Recht auf Freizügigkeit eingeschränkt. Kastorff kann das nachvollziehen, erst in der vergangenen Woche wollte ein Schützling von ihm seinen Onkel in Stuttgart besuchen und musste sich, nachdem er den Antrag eingereicht hatte - dies muss acht Tage vor Reisebeginn geschehen sein - für die lange Reisedauer von einer Woche rechtfertigen. "Viele wollen auch Bekannte und Leidensgenossen treffen, die sie in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen kennen gelernt haben", berichtet der Rentner. Das verspricht Ablenkung, die im Kampf gegen die Langeweile dringend benötigt wird, denn Asylbewerber dürfen weder arbeiten, noch studieren.

Kastorff ermutigt keinen der in Wang untergebrachten Flüchtlinge, sich an dem Marsch zu beteiligen. Die meisten hätten aber sowieso zu große Angst vor der Polizei. Kein Wunder, schließlich berichten Unterstützer des Protestmarsches von häufigen Kontrollen an abgelegenen Stellen, bei denen mehr Polizisten als Demonstranten vor Ort sind. Immer wieder werden Teilnehmer wegen Verstößen gegen die Residenzpflicht zu ihren Unterkünften zurückgebracht. Daran wird sich wohl auch in Oberbayern nichts ändern. Man werde die Situation beobachten und "im Rahmen der rechtlichen Tätigkeiten eingreifen", ließ die Pressestelle des zuständigen Polizeipräsidiums verlauten. Auch ein offener Brief der "Grünen Jugend Oberbayern", in dem die Polizei aufgefordert wird, den Marsch als freie Meinungsäußerung zu akzeptieren und schützend nach München zu begleiten, änderte daran nichts. Den Brief habe man zwar zur Kenntnis genommen, doch man müsse Straftaten nachgehen, wenn man Kenntnis von ihnen habe. Es mutet paradox an, dass die Teilnehmer ausgerechnet aufgrund einer rechtlichen Grundlage an ihrem Protest gehindert werden, deretwegen sie sich auf den Weg gemacht haben.

© SZ vom 30.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: