Langenbach:Keine Wahl

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In der Nähe von Eichelbrunn-Siedlung, am südlichen Rand der Kiesgrube, soll eine Unterkunft für Asylbewerber entstehen. (Foto: Marco Einfeldt)

Anwohner der Eichelbrunn-Siedlung fühlen sich überrumpelt - und finden viele Argumente gegen ein Asylbewerberheim in ihrer Nähe

Von Christoph Dorner, Langenbach

Die Baumgartners, Manuela und Norbert, Tanja und Richard, sind weder verwandt noch verschwägert. Diese Feststellung ist ihnen wichtig. Die beiden Ehepaare haben vor 17 Jahren, keine 300 Meter auseinander, Wohnhäuser in der Eichelbrunn-Siedlung am Ortseingang von Langenbach gebaut und dort ihre Kinder groß gezogen - trotz des Fluglärms, der brutzelnden Stromleitung, die tief über den Feldern vor der Siedlung hängt, und der Kiesgrube, die auch direkt vor der Haustür ist. Wegen der Grube der Betreiberfirma Würfl hatte es in der Gemeinde jahrelang Streit gegeben. Erst wurde die Nutzung immer wieder verlängert. Dann sei den Bürgern eine Renaturierung des Gemeindegrundstücks versprochen worden, ein Naherholungsgebiet für Familien sollte es werden, sagt Manuela Baumgartner.

Der nördliche Teil der Kiesgrube wird derzeit sukzessive verfüllt. Von den Häusern der Baumgartners sind es gut 500 Meter Fußweg durch die Siedlung und entlang der Felder, bis es steil zu der stillgelegten Grube hinuntergeht. Ihren Kindern haben die beiden Ehepaare stets verboten, dort zu spielen. Nun wird von September an am südlichen Ende des Areals, das der Gemeinde Langenbach gehört, direkt am Wall zur B 11 eine Unterkunft für 78 Asylbewerber gebaut: mit Bolzplatz und Beachvolleyballfeld, gedacht als Integrationsraum. Die Behörden müssen nur noch grünes Licht geben.

Das passt den Baumgartners nicht. Sie haben nichts gegen Flüchtlinge, sagen sie immer wieder. Wer sich mit ihnen in ihrem Zuhause in der Eichelbrunn-Siedlung trifft, erfährt viele Gründe, warum der Standort der falsche ist. Ihnen geht es dabei auch um eine bessere Integration der Asylbewerber. Sagen sie.

Es sind bewegte Tage in Deutschland. Fast täglich gibt es Angriffe auf Flüchtlingsheime. Im Landkreis Freising sorgt die Unterbringung einer wachsenden Zahl an Flüchtlingen bislang zum Glück nur für Diskussionsstoff. Wie viele werden noch kommen? Wo sollen sie alle hin? Und obwohl der Landkreis dafür mittlerweile Schulturnhallen zweckentfremden muss, überwiegen bei den Bürgerversammlungen, die das Freisinger Landratsamt veranstaltet, ein normal temperiertes Informationsbedürfnis und Signale der Hilfsbereitschaft.

Deshalb war es eine bemerkenswerte Nachricht, dass im Juli etwa 40 Bürger bei der Sitzung des Langenbacher Gemeinderats erschienen waren, um mit einer Unterschriftenliste gegen den Standort der Unterkunft zu protestieren. Die Baumgartners waren damals dabei. Auf Antrag eines Gemeinderats wurde daraufhin die Abstimmung über die Baugenehmigung auf eine Sondersitzung eine Woche später vertagt. Die Gemeindevertreter beugten sich aufgebrachten Bürgern, so konnte man das damals sehen.

Dadurch musste Langenbachs Bürgermeisterin Susanne Hoyer, die fünf Tage vor der Gemeinderatssitzung einen Flyer zum Thema Asylunterbringung in der Gemeinde verteilen ließ, ohne einen konkreten Standort für eine Unterkunft zu nennen, das Investoren-Projekt öffentlich erklären, bevor es beschlossen war.

Tatsächlich ist Unmut über die Übernacht-Einrichtung von Asylheimen auch überall dort gewachsen, wo sie mangelhaft kommuniziert wurde. "Niemand sagt, dass die Asylanten nicht kommen dürfen. Aber wir hätten vorher informiert werden wollen", sagt Manuela Baumgartner. Insofern kann man in der Intervention der Langenbacher Bürger ein Bedürfnis nach mehr Transparenz seitens der Politik erkennen. Doch auch die Bewohner im Freisinger Steinpark wurden vorab nicht von ihren Volksvertretern um Erlaubnis gefragt, ehe sie das ehemalige Stabsgebäude zur Flüchtlingsunterkunft umwidmeten. So kann kommunale Asylpolitik auch nicht funktionieren.

Norbert Baumgartner war bei der Informationsveranstaltung des Landratsamts, die einen Tag nach der Langenbacher Gemeinderatssitzung stattfand, sogar so weit gegangen, Bürgermeisterin Hoyer eine "Verschleierungs- und Vertuschungspolitik" vorzuwerfen. Eine Feststellung, die er so stehen lässt. Ihm sei daraufhin aus der Gemeinde Rechtspopulismus unterstellt worden, sagt Norbert Baumgartner. Ihn und seine Frau hat empört, wie mit ihrer Meinung zu der Unterkunft umgegangen wurde: im Gemeinderat, der das Bauvorhaben letztlich einstimmig absegnete; auf der Informationsveranstaltung im Alten Wirt, bei der Andersdenkende gar nicht erst zu Wort gekommen seien; bei Facebook, wo sie beschimpft worden seien. Dabei fühlen sie sich noch immer im Recht.

Die Baumgartners wollen einfach nicht glauben, dass es keine Alternative zu dem Standort nahe der Eichelbrunn-Siedlung gegeben habe, etwa eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge in der Gemeinde. Wie zum Beweis zählt Norbert Baumgartner leer stehende Immobilien und freie Grundstücke auf. Die Bürgermeisterin habe nur nicht richtig gesucht, sagt er. Er kritisiert die dehnbare Auslegung des Baugesetzes, die das Projekt als "teilprivilegiertes Bauvorhaben" an der Gemeindegrenze erst möglich macht. So aber funktioniere Integration nicht, sagt Tanja Baumgartner. "Dann haben wir da draußen ein Ghetto. Und das will kein Mensch", sagt sie. Richard Baumgartner kritisiert, dass die Gemeinde ohne Not mehr Flüchtlinge aufnehme, als sie eigentlich müsse.

Susanne Hoyer hatte dies seinerzeit damit begründet, dass der Investor, die Adldinger Bauwerk GmbH, erst ab dieser Größe wirtschaftlich bauen könne und bei 78 Flüchtlingen vom Freistaat auch zwei halbe Stellen für einen Sozialpädagogen und einen Hausmeister finanziert würden. Der Standort des zweistöckigen Holzgebäudes, das später zu einem Auszubildendenwohnheim werden soll, war vor allem wegen der Nähe zum Nahversorgungszentrum am Ortseingang von Langenbach gewählt worden.

Wie Kleidungsstücke in der Umkleidekabine probieren die Baumgartners im Gespräch ihre Argumente gegen die Unterkunft an. Sie zweifeln an der Redlichkeit des Investors und an der Dauer des Engagements des Langenbacher Helferkreises. Sie selbst können nicht helfen, sie müssen arbeiten. Und hat nicht der Bund Naturschutz den Tümpel auf dem Grundstück als Biotop ausgewiesen?, fragt Manuela Baumgartner. Die Wertminderung ihrer Immobilien sei auch "keine angenehme Nebenerscheinung, um das klar zu sagen", sagt Richard Baumgartner an einer Stelle.

Vielleicht ist es ganz einfach: Als die Baumgartners vor 17 Jahren ihre Häuser bauten, haben sie sich ihre Nachbarschaft noch selbst auswählen können: den Fluglärm, die Kiesgrube, das Übersichtliche. Die neuen Nachbarn dagegen, die haben sie sich nicht ausgesucht.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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