Lageltshausen:Rinder in der Sommerfrische

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Die Weidehaltung im Moos kommt nicht nur den Tieren selber, sondern der gesamten Natur zugute. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Kühe und Kälbchen von Landwirt Lorenz Kratzer sind in der warmen Jahreszeit auf der offenen Weide. Dort fressen sie frisches Gras. Der Verbraucher merkt das an der höheren Qualität des Fleisches

Von Alexandra Vettori, Freising

Es ist ein heimeliges Bild, wie es noch vor einigen Jahrzehnten alltäglich war im Freisinger Moos. Kälbchen spielen, drücken sich an ihre grasenden Mütter, die langsam über die Weide ziehen. Oft sieht man das nicht mehr, die Intensivierung der Landwirtschaft hat die Kühe das ganze Jahr über in die Ställe verbannt, wo sie Kraftfutter fressen, statt frisches Gras zu weiden. Das bedauern nicht nur Gourmets, Tier- und Heimatfreunde, sondern auch die Umweltschützer. Denn die lebenden Rasenmäher fehlen dem Moos, Wiesen drohen, so sie nicht längst Maisacker sind, zu verbuschen. Vor 13 Jahren hat der Freisinger Bund Naturschutz deshalb die Aktion Weiderind im Freisinger Moos gestartet und eine echte Erfolgsgeschichte in die Welt gesetzt.

Einst dehnte sich im Südwesten Freisings ein mächtiges Niedermoor aus, gespeist vom hoch stehenden Grundwasser, mit dicken Torfschichten. Die sind weitgehend abgebaut, das Moos trocken gelegt, nur Wiesen, Büsche und Entwässerungsgräben erinnern an die ursprüngliche Landschaft. Doch in den Streuwiesen leben viele seltene Tiere und Pflanzen, weshalb das Freisinger Moos zu einem Natura 2000-Schutzgebiet der Europäischen Union wurde. "Hier leben so viele Brachvögel und andere Wiesenbrüter wie sonst kaum mehr in Bayern", erklärt Manfred Drobny, Geschäftsführer beim Freisinger Bund Naturschutz (BN) die Bedeutung. Um der Verbuschung entgegen zu wirken, versuchte der BN schon vor über zehn Jahren, Landwirte wieder für extensive Weidehaltung zu gewinnen. Die Resonanz war mau, nur Lorenz Kratzer aus Lageltshausen bei Freising sagte zu. Schon 1996 hatte er von Milchvieh auf Mutterkuhhaltung nach den strengen Richtlinien der örtlichen Bio-Erzeugergenossenschaft Tagwerk umgestellt, 35 Mutterkühe und einen Stier hält er seitdem. "Die Weidehaltung im Moos hat gut in das Konzept gepasst", begründet er den Einstieg. Zwölf Mutterkühe und zwölf Kälbchen lässt er derzeit im Freisinger Moos grasen, vom Frühling bis zum Herbst. Auf den zwei Weiden, sechs und zwölf Hektar groß, gibt es einen Wetterschutz, Bäume und Gesträuch zum Unterstellen und Gras ohne Ende.

Als das Projekt startete, leistete eine kleine Expertenrunde Geburtshilfe, sogar die Technische Universität München war dabei. Ziel des Projekts war eine wirtschaftlich tragbare Nutzung, die gleichzeitig der Natur dienen sollte. Der Bund Naturschutz erstellte, gefördert vom bayerischen Naturschutzfonds, das Beweidungskonzept, 2002 zogen die ersten Mutterkühe zur Sommerfrische ins Moos. Der Arbeitsaufwand für Kratzer hält sich in Grenzen: Wasser nachfüllen, Zäune kontrollieren. Allerdings gibt es gute und schlechtere Jahre, wenn es viel regnet zum Beispiel, wird der Moosboden leicht zur Schlammlandschaft. "Wenn man wenig Tiere hat, verträgt sich das", sagt der Landwirt. Wirtschaftlich gesehen kann er nicht klagen. Das feine Rindfleisch der glücklichen Kühe, die vor der Haustüre grasen, findet reißenden Absatz. Ein Großteil seiner Kunden sei ihm treu geblieben, seit der Bund Naturschutz die erste Werbeaktion für das Weiderindfleisch gestartet habe, erzählt er. Mutterkuhhaltung sei ideal zur Fleischgewinnung. Die Kälber bleiben zehn Monate bei der Mutter, trinken nur deren Milch, sind daher und dank der Weide- und Offenstallhaltung kerngesund.

Ökologisch ist die Rechnung ebenfalls aufgegangen. Die Wiesenbrüter, wie Kiebitz oder Brachvogel, sind geblieben, die meisten Jungvögel schlüpfen Ende April, wenn die Kühe noch nicht draußen sind. Später können die Vögel als Nestflüchter ausweichen. "Dazu kommt", sagt Drobny, "dass die Rinder sehr vorsichtig sind, im Gegensatz zu Schafen. Die schaffen es gut, einen Bogen um Nester zu machen."

Auch eine aktuelle Erfolgsmeldung hat er: Kürzlich hörten die Teilnehmer einer Vogelexkursion einen der beiden im Moos lebenden Wachtelkönige - auf einer Wiese von Landwirt Kratzer. Der Preis für das Fleisch, sagt dieser, entspreche dem in einer guten konventionellen Metzgerei. "Der Unterschied ist, dass sie bei uns zehn Kilo gemischtes Fleisch kaufen müssen", erklärt er. Er sage es den Leuten immer wieder, "wie die Landschaft ausschaut, das bestimmt ihr - damit, was ihr einkauft." Mehr Kühe will er auch in Zukunft nicht halten, das sei es ja gerade, es müsse nicht immer noch mehr sein. Kratzer lässt den Blick über die friedlichen Kühe schweifen. "Mein Sohn führt den Betrieb weiter, wir haben eine Zukunft - auch ohne zu wachsen", sagt er.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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