Kriegsende in Freising:Weitgehend friedlich

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Norbert Zanker, Hans-Christoph Bartscherer, Hubert Hierl und Pfarrer Peter Lederer (von links) haben die weiße Fahne gehisst. (Foto: Marco Einfeldt)

Mit einer weißen Fahne auf dem Turm von St. Georg hat die Domstadt ihre Kapitulation signalisiert. Nun weht wieder eine Flagge über der Stadt: Zur Erinnerung an die Ereignisse vom 29. April 1945

Von Peter Becker, Freising

Bis Sonntag weht von der Aussichtsplattform der Freisinger Stadtpfarrkirche noch eine weiße Fahne. Sie soll nicht an einen kirchlichen Feiertag gemahnen, sondern dient der Erinnerung an die weitgehend friedliche Übergabe der Stadt Freising an die aus Richtung Zolling heranziehenden amerikanischen Truppen am 29. April 1945.

Stadtpfarrer Albert Brey, Hotelier Carl Dettenhofer, Kaplan Anton Trischberger, Konditor Kraml und der Bäcker Pfaller haben den letzten Nazi-Bürgermeister Hans Lechner sowie den Stadtkommandanten der SS, der sich mit seinen Gefolgsleuten in den Gewölben des Lindenkellers verschanzt hatte, davon überzeugt, dass jeder weitere Widerstand zwecklos sei. Als Zeichen der Aufgabe musste Kaplan Trischberger an jenem Tag zweimal eine weiße Fahne hissen.

Stadtheimatpfleger Norbert Zanker erinnerte daran, schon lange mit Mitstreitern darauf gedrängt zu haben, dass die Stadt Freising der friedlichen Übergabe der Stadt würdig gedenke. Diese sei ein positives Zeichen in den Kriegswirren gewesen. "Der Kirchturm spielte dabei eine besondere Rolle", betonte Zanker während einer Pressekonferenz im ehemaligen Türmerstüberl. Die drei Freisinger Bürger hatten zusammen mit den Geistlichen den SS-Kommandanten Meyer im Lindenkeller-Gewölbe aufgesucht, um ihn zur Übergabe der Stadt an die Amerikaner zu überreden.

Meyer, aus Berlin stammend, weigerte sich zunächst unter dem Vorwand, in der Stadt seien noch überzeugte Fanatiker unterwegs, die jegliche Übergabe als Verrat betrachteten und mit Unterhändlern kurzen Prozess machen würden. Außerdem fürchtete er, ein Befehlshaber aus Berlin könne ihn später für sein Handeln verantwortlich machen.

Erst in einem zweiten Anlauf gelang es den engagierten Bürgern, Meyer davon zu überzeugen, dass es in der Reichshauptstadt niemand mehr gebe, der ihn zur Rechenschaft ziehen könnte. Der Kommandant gab nach. Zu diesem Zeitpunkt hatten die SS und alle städtischen Nazi-Größen Freising bereits verlassen.

Bürger und Geistliche hatten zunächst auf eigene Faust die weiße Fahne am Kirchturm aufgehängt. Die anrückenden Amerikaner hielt dies nicht davon ab, die Sankt-Georgs-Kirche von Zolling und den Höhen um Wippenhausen unter Beschuss zu nehmen. Sie vermuteten, ein Artillerie-Beobachter könnte sich im Turm verschanzt haben und seine Beobachtungen weiterleiten.

Außerdem argwöhnten deren Kommandanten, bei der weißen Fahne handele es sich nur um eine Kriegslist. Zanker sagte, drei Granaten, vermutlich von Panzern abgefeuert, hätten den Turm an drei Stellen durchschlagen. Eine fegte durch die Kuppel, eine zweite durch das Turmstüberl, die dritte durchschlug die Mauern etwa fünf Meter darunter. Zum Glück explodierten sie außerhalb des Gemäuers, sonst hätten sie den Turm gesprengt.

Weitere Granaten schlugen auf dem Weihenstephaner Berg, im Südturm des Dombergs und in der Mädchenschule ein, die damals Klosterschwestern leiteten. Dabei kamen eine Ordensfrau, eine Schwester des Roten Kreuzes und drei Soldaten ums Leben. Ein Bub, der an einem Fenster stand, wurde versehentlich von einem amerikanischen Soldaten erschossen. Das waren die letzten Opfer, die der Krieg in Freising gefordert hatte.

Dettenhofer und seinen Mitstreitern gelang es schließlich, die Amerikaner, die bereits bis zur Steinkaserne vorgerückt waren, von den friedlichen Absichten der Freisinger zu überzeugen. Den Verhandlungen hatte sich auch Nazi-Bürgermeister Lechner angeschlossen. "Das ist das einzig Positive, was man über ihn sagen kann", schloss Zanker seinen Vortrag. Die abrückende SS hatte als letzten Gewaltakt noch die Isarbrücke zwischen der Stadt und Lerchenfeld gesprengt.

Stadtpfarrer Peter Lederer bezeichnet den 29. April als "einen denkwürdigen Tag". Mesner Korbinian Schwind hat dazu in dem Buch, das im Turmstüberl ausliegt, einen Eintrag verfasst. Darin erinnern er und Lederer an die Ereignisse vor 70 Jahren. "Möge es in den kommenden 70 Jahren ebenso friedlich bleiben", lautet sein Wunsch.

Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher würdigte das mutige Vorgehen der Freisinger Bürger. Obwohl noch SS-Truppen in der Stadt gewesen seien, hissten sie eine weiße Fahne und gingen den Amerikanern mit der Absicht entgegen, die Stadt zu übergeben. In den letzten zehn Kriegstagen hätten sich die Ereignisse in Freising förmlich überschlagen.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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