Klug und hungrig:Schweinchen Schlau

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Wer einem Wildschwein begegnet, sollte nicht in Hektik verfallen, sondern sich einfach zurückziehen und vor allem: Hunde festhalten. (Foto: Christian Endt)

Der Schwarzwildbestand im Landkreis Freising nimmt seit Jahren zu. Die Tiere tricksen Jäger aus und profitieren vom Klimawandel.

Von Alexandra Vettori, Freising

Man bekommt sie nicht zu Gesicht, heißt es stets, sie seien scheu und außerdem nachtaktiv. Doch immer öfter stehen nicht mehr nur Autofahrer einem Wildschwein gegenüber, sondern auch Spaziergänger. Die Zahl des Schwarzwilds hat stark zugenommen, wie auch Walter Bott, Vorsitzender des Freisinger Jagdschutz- und Jägervereins weiß: "Vor 50 Jahren ist eines im Jahr geschossen worden, vielleicht auch mal zwei. Vor 25 Jahren waren es dann schon um die 50 Stück Schwarzwild, im Vorjahr über 1000."

Weil die Bauern Schäden auf Wiesen und Feldern beklagen, wird bereits diskutiert, ob Nachtsichtgeräte bei der Wildschweinjagd zugelassen werden. Dabei gibt es auch immer wieder Jahre, in denen die Wildschweinpopulation kleiner ist. 2015 könnte ein solches gewesen sein. Zwar dauert das laufende Jagdjahr noch bis Ende März, doch gibt es bereits Hinweise auf eine geringere Schusszahl.

Genau 1023 erlegte Wildschweine hat man im vergangenen Jahr im Landkreis Freising registriert, überfahrene sind darin ebenso enthalten wie das eines natürlichen Todes gestorbene Schwarzwild. Wie viele Tiere es in der laufenden Jagdsaison werden, steht noch nicht fest. "Genaue Zahlen gibt es erst, wenn die Streckenlisten der Jäger ausgewertet sind, das wird ab Ende April sein, wenn die Hegeschauen stattfinden", sagt Michael Newrzella von der Unteren Jagdbehörde im Landratsamt Freising.

Doch auch ohne offizielle Jagdstatistik gibt die Zahl der Trichinenschauen im Landratsamt bereits einen ersten Hinweis auf die Jagdausbeute. Jedes Wildschwein für den menschlichen Verzehr muss von Veterinären des Landratsamtes auf Trichinen überprüft werden, winzige Fadenwürmer, die auch Menschen befallen können. Wie Walter Bott vom Jagdverein weiß, sind bis jetzt deutlich weniger Wildschweine zur Trichinenschau gekommen als im Vorjahr: "Irgendwo zwischen 20 und 30 Prozent liegt man im Minus", sagt er.

Warum das so ist, vermag auch der erfahrene Jäger noch nicht zu sagen. Es könne einfach ein schwaches Wildschweinjahr sein oder auch fehlendes Jagdglück. Egal, welche Ursachen zugrunde liegen, Bott ist überzeugt, dass die Zahl der Wildschweine insgesamt nicht abnimm: "Wie gesagt, es ist eine Zickzacklinie mit steigender Tendenz. Jubel ist sicher noch nicht angebracht."

Verschiedene Faktoren haben die Verbreitung von Wildschweinen auch im Landkreis gefördert. Das ist insgesamt der Klimawandel, der mangels kalter Winter seltener Frischlinge erfrieren lässt als früher, andererseits fruktizieren die Bäume öfter, tragen also mehr Früchte, Eicheln zum Beispiel, die Wildschwein-Lieblingsspeise.

"Früher hieß es, alle paar Jahre ist ein Eicheljahr, jetzt ist fast jedes Jahr eines", sagt Bott, "gute Ernährung aber setzen die um in Vermehrung". Dazu kommen die Maisfelder, die wegen der Biogasgewinnung zugenommen haben. Mais bietet den Schweinen, sobald er hoch genug ist, ein wahres Schlaraffenland, Nahrung und Deckung in Hülle und Fülle. In Rapsfeldern sei das ebenso, sagt Bott, der blühe noch früher, "und da ist für den Jäger einfach kein Durchkommen".

Bisweilen arbeiten Jäger und Landwirte laut Bott im Landkreis schon sehr gut zusammen, zum Beispiel, indem die Bauern Schussschneisen in den Feldern lassen. Die allerdings, weiß Bott, müssen immer wieder mal verlegt werden, weil sich die schlauen Wildschweine genau merken, was hier passiert.

Das gelte auch für alle anderen Techniken bei der Schwarzwildjagd, sagt er, "das sind hochintelligente Tiere". So sei auch das Umstellen einzelner Felder mit Jägern, denen Treiber die im Feld versteckten Tiere vor die Büchsen oder Gewehre jagen, nur noch bedingt erfolgreich: "Wenn Erntezeit ist, verstecken sie sich im Wald und fressen nur noch nachts in den Feldern. Oder sie kommen gar nicht raus, sondern spielen drin Katz und Maus mit den Hunden."

Die Statistik der Verkehrsunfälle im Landkreis wird erst in zwei Wochen veröffentlicht, so viel verrät Josef Demel von der Freisinger Polizei aber schon: Die Zahl der überfahrenen Wildschweine entspricht mit 50 ungefähr den Vorjahren. Für Spaziergänger übrigens sind Wildschweine selbst in Rotten keine so große Gefahr wie für Autofahrer. Man solle sich einfach zurückziehen, hektische Bewegungen vermeiden und den Hund festhalten, raten die Jäger. Der ist nämlich selbst einem einzelnen ausgewachsenen Wildschwein nur selten gewachsen.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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