Kirchbergers Woche:Richtig fortschrittlich

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Warum man heutzutage in der Schule wieder überall Kübel benötigt . . .

Kolumne von Johann Kirchberger

Das Uferlos-Festival wird zu einem Bargeldlos-Festival, jubelten die Veranstalter im Vorfeld und kamen damit wohl dem Wunsch ihres neuen Großsponsors nach. Zahlen ohne Bargeld, das funktioniert ganz einfach, heißt es, wie so vieles andere halt auch in unserer digitalen Welt, alles ganz einfach. Sich an einem Stand legitimieren, sich einen Premium Account besorgen und sich eine App auf das Smartphone laden. Und schon kann's losgehen. Man geht zu einem Verkaufsstand, bestellt, scannt einen QR-Code und tippt den entsprechenden Betrag für Bier oder Brotzeit ein.

Wenn der Verkäufer auf Zack ist und mitspielt, ploppt es kurz darauf auf seinem Handy-Display und er bekommt die Info, das Geld ist da. Echt der Wahnsinn. So oder so ähnlich und vielleicht noch praktischer soll das Bargeldloszahlen auch mit einem Paygo-Armband funktionieren. Die Resonanz auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr soll beim Uferlos allerdings recht bescheiden gewesen sein, war zu erfahren. Wundert auch nicht besonders. Denn mal ehrlich, was ist jetzt eigentlich so unpraktisch daran, sich ein Bier bringen zu lassen, den Geldbeutel zu zücken, ein paar Münzen herauszukramen und auf den Tisch zu legen? Aber das ist eben ganz altmodisch und rückständig. Zahlen mit dem Smartphone, das ist wie zahlen mit Bargeld, nur krasser - heißt es in der Werbung. Genau, heutzutage muss es krass sein. Der Bärling, das gute alte Regionalgeld, hat sich übrigens auf dem Uferlos auch mal wieder herumgetrieben. Aber der Bärling hat mit bargeldlosem Zahlen nichts zu tun und so richtig krass ist er wohl auch nicht.

Vermutlich aber wird es sich in nicht allzu ferner Zukunft durchsetzen, alles mit dem Smartphone zu erledigen. Wer mit der Zeit geht, muss so ein Klugtelefon haben. Was wir aber nicht mehr brauchen, sind Waschbecken im Klassenzimmer. Das glauben zumindest die Planer der Steinschule auf dem Lankesberg, weil es dann auch keine Tafeln mehr geben wird, auf denen mit Kreide geschrieben wird. Einen Wasseranschluss soll es in sogenannten Clustern geben, vermutlich so etwas wie Toilettenanlagen. Zum Händewaschen kann man sich ja zur Not auch einen Kübel ins Zimmer stellen. Das ist dann so richtig fortschrittlich.

Der Fortschritt bringt es auch mit sich, dass beide Elternteile Vollzeit arbeiten müssen, um die hohen Mieten bezahlen zu können. Das erfordert Ganztagsklassen für ihre Kinder, die derzeit überall von den Grundschulen bis zu den Gymnasien eingerichtet werden, neuerdings auch an den Realschulen. Fast überall. Wer an der Echinger Realschule eine Nachmittagsbetreuung will, wird kurzerhand nach Unterschleißheim weitergeschickt. Ist ja nur eine S-Bahn-Station entfernt. Und an der Moosburger Realschule müssen sich die Eltern einfach noch ein klein wenig gedulden. Derzeit gibt es keine Räume für Ganztagsklassen, bedauert der Schulleiter. Mit den erforderlichen Umbauten soll aber schon in drei bis vier Jahren begonnen werden. Welch ein Trost. Leider werden die aktuellen Schüler davon nichts mehr haben.

© SZ vom 19.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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