Kirchbergers Woche:Hoffen auf ein weiches Ei

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Was ein Loriot-Sketch und der geplante Ausbau des Münchner Flughafens miteinander zu tun haben

Von Johann Kirchberger

Viele werden den Loriot-Sketch kennen, bei dem er sich am Frühstückstisch über das zu harte Ei beklagt und sie behauptet, das Ei wie immer viereinhalb Minuten lang gekocht zu haben - allerdings nicht nach der Uhr, sondern nach Gefühl. Könnte es sein, dass mit deinem Gefühl etwas nicht in Ordnung ist, fragt er daraufhin vorsichtig und besteht hartnäckig darauf, ein weiches Ei zu bekommen. So ist das eben mit den Gefühlen, sie stehen nicht immer zuverlässig mit der Realität im Einklang. Nun hat unser Landtagsabgeordneter Florian Herrmann (CSU) erklärt, dass er vom Gefühl her sagen würde, die dritte Startbahn komme eher nicht. Worauf er seinen Optimismus bei der Einschätzung der allgemeinen Stimmungslage im Landtag gründet, hat Herrmann zwar nicht gesagt. Doch in diesem Fall wollen wir hoffen, dass ihn sein Gefühl nicht trügt und das Ei weich ist, wenn im Landtag wieder mal gekocht beziehungsweise abgestimmt wird.

Gefühlter Unsinn ist, was sich die FDP als Reaktion auf das vom Vöttinger Bürgerforum beantragte Bürgerbegehren für ein dreijähriges Memorandum beim Bau der Westtangente ausgedacht hat. Um endgültig Klarheit zu bekommen, solle der Stadtrat ein Ratsbegehren auf den Weg bringen und die Bürger noch einmal über die Westtangente abstimmen lassen, wird gefordert. Stellt sich die Frage, wie oft die Bürger noch über den gleichen Sachverhalt abstimmen sollen. Und was, bitte schön, soll bei einer Abstimmung herauskommen, wenn - wie von der FDP vorgeschlagen - den Bürgern die Antwort quasi in den Mund gelegt und gefragt wird, ob eine Westtangente gebaut werden soll, um damit die Bewohner der Innenstadt vom Verkehr zu entlasten? Wer würde schon ernsthaft eine Entlastung der Innenstadt verhindern wollen? Nein, der Zug ist abgefahren. Es wird kein Ratsbegehren geben und rein vom Gefühl her wird der Stadtrat Anfang September auch das Memorandum-Bürgerbegehren nicht zulassen. Das Ei Westtangente hat schon zu lange gekocht.

Eine gefühlte Sauerei ist, über welches Machtpotenzial manche Unternehmen verfügen. So haben sich diese Woche Landwirte darüber beklagt, dass ihnen Großschlächtereien und Molkereien nach dem Motto "Friss Vogel oder stirb" gnadenlos die Preise diktieren. Die Telekom wiederum diktiert den Gemeinden, wo sie Mobilfunk-Sendemasten errichten möchte. In Thalhausen in der Gemeinde Kranzberg hat sich das Unternehmen einen ihm passenden Standort ausgesucht. Der Gemeinderat hat nach Schilderung von Bürgermeister Hammerl keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Einen vorgeschlagenen Alternativ-Standort hat die Telekom abgelehnt, angeblich weil der aus wirtschaftlichen Gründen ungeeignet ist. Den Kranzbergern bleibt nur die Möglichkeit zu kontrollieren, ob sich die Strahlenbelastung auf dem nahen Kinderspielplatz durch den neuen Sendemast verändert. Es zeigt sich eben immer wieder, dass Ökonomie stärker ist als Ökologie und die viel gepriesene Planungshoheit der Gemeinden nur auf dem Papier besteht.

Vor einer Woche war Maria Himmelfahrt. Ein schönes Beispiel dafür, wie überflüssig manche Feiertage geworden sind. Deren Bedeutung kennt nämlich kaum noch jemand. Und mitten in der Urlaubszeit braucht niemand einen Feiertag, schon gar nicht, wenn er auf einen Samstag fällt. Übrig bleibt ein Rätsel des Alltags: Wenn an Christi-Himmelfahrt Vatertag ist, warum ist dann an Maria-Himmelfahrt nicht Muttertag?

© SZ vom 22.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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