Kirchbergers Woche:Betongold als Präsent

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Warum man auch mal zufrieden sein sollte

Von Johann Kirchberger

Höher, schneller, weiter. Nichts ist so wichtig wie Wirtschaftswachstum, sonst, wird suggeriert, droht das Ende des Wohlstands. Einige verneinen das, manche zweifeln, die große Mehrheit aber fügt sich und gehorcht den Wachstumsfanatikern. Die Menschen kaufen und konsumieren, was das Zeug hält, vor allem zur Weihnachtszeit. Allerdings gibt es manchmal natürliche Grenzen des Wachstums. Wenn etwa der teuer erstandene Christbaum drei Meter misst, das Wohnzimmer aber nur 2,50 Meter hoch ist. Deshalb kann es klug sein, rechtzeitig nachzumessen und eine Obergrenze festzulegen.

Ministerpräsident Horst Seehofer hat das bestimmt getan. Eine Obergrenze für die Lärm- und Abgasbelastung der Menschen im Flughafenumland will er dagegen nicht festlegen. Er und sein Kronprinz setzen auf Wachstum, und weil die Flugbewegungen heuer nach Jahren des Rückgangs wieder um ein paar Prozentpunkte gestiegen sind, fordern sie den raschen Bau einer dritten Startbahn. Aufhalten können sie dabei allein die Münchner Bürger, die offensichtlich schon bald wieder befragt werden sollen. Landrat Josef Hauner zumindest befürchtet, dass der Münchner OB und sein Stadtrat schwach werden, dem Begehren der Staatsregierung nachgeben und ein Ratsbegehren anordnen könnten. Schließlich muss auch der Flughafen wachsen. Sonst droht der Untergang, vielleicht nicht des Abendlands, aber zumindest der Wirtschaft in Bayern.

Höher, weiter, schneller. Das bedeutet natürlich auch, dass die Straßen und Bahnlinien rund um den Flughafen ausgebaut werden müssen. Die Autobahndirektion kommt mit den Planungen kaum hinterher. So soll bereits ziemlich zeitnah die A 92 zwischen dem Dreieck Feldmoching und dem Neufahrner Kreuz sechsspurig, zwischen Neufahrn und dem Flughafen bis 2030 sogar achtspurig ausgebaut werden. Auch die A 9 soll zwischen dem Dreieck Holledau und dem Flughafen acht Spuren bekommen. Damit Platz ist für immer mehr Autos, die mensch- oder computergesteuert, immer schneller am Ziel sein wollen. Es geht um Minuten.

Das gilt auch für die Bahn. Die Neufahrner Kurve ist im Bau und schon in einem Jahr sollen die ersten Züge von Freising zum Flughafen rollen. 91 Millionen Euro wird das 2,3 Kilometer lange Teilstück kosten. Wozu das gut ist? Die Niederbayern müssen dann in Freising nicht mehr in den Bus umsteigen und können den Flughafen direkt anfahren. Das bringt angeblich 20 Minuten Zeitersparnis. Vor allem für Urlaubsreisende von enormer Bedeutung. Deshalb haben ja auch CSU-Abgeordnete ihren niederbayerischen Wählern dieses Gleisstück schon vor langer Zeit versprochen und kurz vor den Landtagswahlen wird es im Dezember nächsten Jahres auch fertig. Ob die Neufahrner Kurve dann als Weihnachts- oder Wahlgeschenk eingestuft wird, bleibt dahingestellt. Billig ist es nicht. Aber welche Geschenke, die etwas hermachen, sind das schon?

Weihrauch, Gold und Myrrhe legten die Könige vor über 2000 Jahren dem Christuskind vor die Krippe. Damals war das auch nicht billig. Heute schenken Bayerns Könige vorwiegend Betongold: Startbahnen, Autobahnen, Bahnbrücken. Ochs und Esel schauen zu und drücken den "Gefällt-mir-Button".

© SZ vom 24.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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