Kirchbergers Woche:Aufregende Zeiten

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Wahlkämpfer müsen gherausfinden, warum sie von den Wählern belohnt oder abgestraft wurden

Von Johann Kirchberger

Die Schlacht ist geschlagen, jetzt gilt es gründlich nachzudenken, über das was war und das was kommt. Es gilt für die Wahlkämpfer herauszufinden, warum sie von den Wählern belohnt oder abgestraft wurden, was sie gut und was falsch gemacht haben, was sie künftig besser machen können oder was sie besser bleiben lassen sollen. Klären müssen sie zum Beispiel, ob es reicht, die Pendler an den S-Bahnhöfen am frühen Morgen nur mit blanken Brezn zu versorgen oder ob es sich lohnen würde, auf Wurst- oder sogar Leberkässemmeln umzusteigen. Oder wenigstens auf Butterbrezn. Mancher Kandidat mag auch darüber grübeln, ob Nektarinen oder Weintrauben mehr Stimmen einbringen würden als Äpfel.

Eine besonders schwerwiegende Frage ist auch, was denn jetzt mit den Flyern zu tun ist, die trotz intensivem Einsatz nicht rechtzeitig an den Mann oder die Frau gebracht werden konnten. Soll man sie der Altpapiertonne übergeben oder doch besser aufheben? Könnte ja sein, dass angesichts der sich abzeichnenden Probleme bei der Regierungsbildung schon bald wieder Neuwahlen anstehen. Und was soll mit den übrig gebliebenen Plakaten geschehen? Wäre eigentlich schade, die vielen schönen Gesichter einfach der Wiederverwertung zuzuführen. Deshalb wohl hat die AfD zwei Tage vor dem Wahltermin auch noch schnell alles rausgehauen und zusätzliche Plakatständer aufgestellt, ein bisserl mehr als erlaubt waren. Aber es war ja Wochenende, da rückt der Bauhof nicht mehr aus.

Der Erfolg heiligt bekanntlich die Mittel. Jetzt darf der AfD-Kandidat in den Bundestag einziehen, um dort nach eigener Aussage die Altparteien so lange vor sich herzutreiben, bis sie den Willen der Bürger umsetzen. Aber welcher Bürger? 12,54 Prozent haben Johannes Huber im Wahlkreis ihre Erststimme gegeben. Das sind nicht "die Bürger", das ist allenfalls ein kleiner Teil davon, und was die wirklich wollen, wissen sie vielleicht selbst nicht so recht. Hoffen wir zumindest. Nicht so recht glauben können wir allerdings, dass es Huber gelingen könnte, Erich Irlstorfer, als CSU-Mann ein typischer Vertreter der Altparteien, in Berlin vor sich herzutreiben. Schon rein körperlich bedingt erscheint uns das schwierig. Könnte leicht sein, dass der schwergewichtige Pflegeexperte seinen Kontrahenten auflaufen lässt und plötzlich den Schulterschluss mit den Teilen der Bevölkerung sucht, die er bisher nicht gerade mit seiner Zuneigung verwöhnt hat. Etwa wenn er sich selbst überwinden und Umweltschützer unterstützen sollte.

Interessant dürfte auch werden, wie die Veranstalter diverser Feierlichkeiten mit der selbsternannten "Stimme der Bürger" aus Nandlstadt umgehen. Werden sie den Abgeordneten Huber einladen und hofieren, oder wegen seiner AfD-Zugehörigkeit zur unerwünschten Person erklären? Werden sie ihn neben Irlstorfer, Bürgermeistern und anderen Würdenträgern in die erste Reihe setzen, ihn vielleicht sogar auffordern, ein Grußwort zu sprechen? Aber gerade das wäre ja so etwas wie politische Korrektheit, die es nach Ansicht der AfD über Bord zu werfen gilt. Wenn nicht alles täuscht, kommen aufregende Zeiten auf uns zu.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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