Keine Zwischenfälle:Wohl gehütetes Geheimnis

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Ein umfangreiches Polizeiaufgebot sorgt dafür, dass Rechtsradikale und etwa 30 Gegendemonstranten sich nicht zu nahe kommen.

Peter Becker

Freisinger erwacht!", ruft der schwarz gekleidete Mann immer wieder in sein Megaphon. Es ist kein Wanderprediger, der die Bürger der Stadt dazu aufruft, angesichts des drohenden Weltuntergangs umzukehren und ihre Sünden zu bereuen. Es ist der Freisinger NPD-Kreisvorsitzende Dirk Reifenstein, der seine persönliche Apokalypse darin sieht, dass die Linken in Deutschland die Regierung übernehmen könnten. Etwa eineinhalb Stunden lang umrunden er und ein gutes Dutzend seiner rechtsgerichteten Kameraden das Stadtzentrum. Dabei wendet sich Reifenstein in leicht sächselndem Tonfall immer wieder gegen die Freisinger Punkerszene, die seiner Ansicht nach das Stadtbild verschandelt. Begleitet wird der Demonstrationszug von einem umfangreichen Polizeiaufgebot und einer Schar von spontanen Gegendemonstranten.

Schon weit vor Beginn des Demonstrationszugs, der sich am Samstag um elf Uhr in Bewegung setzt, haben etwa hundert Beamte der Dachauer Bereitschaftspolizei, ein Kontingent der Bundespolizei und natürlich Freisinger Polizisten vor dem Bahnhof Position bezogen. Etwa 25 Neonazis werden erwartet, anwesend ist dann ein gutes Dutzend. "Lauter bekannte Gesichter", bestätigt ein Polizist. Überregional bekannte Neonazis wie zum Beispiel Martin Wiese sind nicht darunter. Der Zug schwenkt schließlich nach rechts auf die Ottostraße ein. "Krank", kommentiert eine junge Frau, die an einer Fußgängerampel wartet, den Aufzug des Trupps.

Polizisten weisen unterdessen einige spontan mitziehende Gegendemonstranten an, mehr Abstand zu den Neonazis zu halten. Der Weg, den die Kundgebung durch die Stadt nehmen würde, war bis zuletzt ein wohlgehütetes Geheimnis der Polizei. Guido Hoyer, Kreisrat der Linken und Kreisvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, wusste zwar von den geplanten Aktivitäten, konnte aber aufgrund der Geheimhaltung keine Gegendemonstration organisieren, sondern nur zwei Infostände in der Innenstadt. Er bedauert dies, hat aber gleichzeitig Verständnis für die Sicherheitsvorkehrungen der Polizei. Hoyer ist besorgt über die sich seiner Meinung nach häufenden Neonazi-Aktionen in der Stadt Freising. "Wir wollen diese Aufmärsche nicht", bekräftigt er.

Erst als NPD-Mann Reifenstein seinen Kameraden die Marschroute bekannt gibt, informiert eine Frau per Handy weitere Gegner der Neonazis. Diese erwarten den Zug an der Musikschule an der Kölblstraße. Eine Rede Reifensteins geht in einem gellenden Trillerpfeifenkonzert unter. Fortan begleiten etwa 30Gegendemonstranten die Neonazis, die über die Landshuter-, Steinecker- und Wippenhausener Straße wieder zum Bahnhof ziehen. Einige recken den schwarzgekleideten Gestalten Schilder entgegen, auf denen der Schriftzug "Freising ist bunt" gemalt ist. Die starke Präsenz der Polizei zeigt Wirkung: Es bleibt bei verbalen Provokationen zwischen Demonstranten und Gegendemonstranten. Die Abschlusskundgebung geht wieder im Pfeifkonzert unter.

Eva Dörpinghaus, Pressesprecherin des Landratsamts, sagt, dass der Zug der NPD-Leute eigentlich durch die Innenstadt hätte stattfinden sollen. Dies sei der Privatperson, die die Kundgebung beantragt habe, verwehrt worden. Als Begründung habe das Landratsamt den Markt und eine Gautschfeier angegeben, die am Samstag in der Innenstadt stattfanden. Eva Dörpinghaus verweist auf die vielen Polizeiautos, die unterwegs waren. "Wir wollten diesen Verkehr aus der Stadt heraushalten", sagt sie.

Bei der Privatperson, die die Demonstration beantragt hat, handelt es sich vermutlich um Reifenstein. Dies will die Pressesprecherin nicht bestätigen. Hoyers Forderung, mehr politisch Verantwortliche aus Stadt und Landkreis sollten sich unter die Gegendemonstranten einreihen, weist sie zurück. "15 Rechtsradikale sind keine Bedrohung für die Demokratie im Landkreis."

© SZ vom 20.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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