Den Brutpaaren auf der Spur:Extrarunden ums Haus

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Christian Langebartels (links) und Boas Stefani bei der Kartierung von Schwalben und Mauerseglern in Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Zahl der Schwalben und Mauersegler nimmt ab. Um den Schwund beurteilen zu können, wird auch im Landkreis die Population gezählt.

Von Alexandra Vettori, Freising

Vergangene Woche ist die Vogelkartierung sogar zum Kunstgenuss geworden: Da saß Hobbyornithologe Christian Langebartels aus Eching neben der Freisinger Kirche St. Georg und hat die Schwalben beobachtet. "Es war ein herrlicher Sommerabend, aus der Kirche tönte die h-Moll-Messe und ich habe die Flugkünste am Himmel verfolgt", erzählt er lächelnd. In der Regel fehlt musikalische Untermalung, wenn die Schwalbenkartierer im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde derzeit durch Freising schwärmen, spannend ist die Sache trotzdem: "Es ist einiges geboten", so Langebartels erster Eindruck.

Mehlschwalben, Rauchschwalben und die stattlichen Mauersegler mit 40 Zentimetern Flügelspannbreite, sie alle wohnen schon seit Jahrhunderten in Bauernhöfen und Stadthäusern. Seit einiger Zeit aber werden sie weniger. Um den Schwund beurteilen zu können, ist der erste Schritt, zu wissen, wie viele es überhaupt noch sind. Die einzige Möglichkeit sind Zählungen der Brutpaare. Genau das tun die Kartierer des Landesbunds für Vogelschutz (LBV)im Moment. Im Vorjahr haben sie in Landshut 1400 Brutpaare gezählt. Heuer streifen sie durch Moosburg, wo man bisher sicher von 20 Paaren weiß, in Freising sind bisher 30 Paare fix. Doch die Zählung hat gerade erst begonnen. In Freising haben die Vogelfreunde tatkräftige Helfer in der Hochschulgruppe. Sie besteht aus zehn bis 20 aktiven Studenten, die sich für Ökologie interessieren. Derzeit werden sie vom LBV angelernt in Sachen Vogelkartierung, "aber eine ganze Reihe von ihnen weiß schon sehr viel", lobt Langebartels.

Ganz so einfach, wie gedacht, ist die Zählung nicht. Denn weder Schwalben noch die noch vorsichtigeren Mauersegler fliegen einfach so in ihre Nester. "Die Mauersegler sind richtige Heimlichtuer. Erst fliegen sie laut rufend durch die Straße, dann umringen sie das Haus - und dann fliegen sie ganz schnell zum Brutplatz", erzählt Langebartels. Mit dieser Strategie lenken die Vögel etwaige Fressfeinde wie Krähen oder Raubvögel ab. Für den Kartierer bedeutet das, dass er schon mal 20 Minuten vor einem Standort Position beziehen muss. Mauersegler bringen auch nicht jedes Mücklein extra zum Nachwuchs. Wie Langenbartel ausführt, sammeln sie bis zu 600 Insekten, machen eine "Futternuss" daraus und stopfen diese dann den Jungvögeln in die Schlunde. Mehlschwalben haben pro Gelege zwischen fünf und sechs Schnäbel zu stopfen, Mauersegler ziehen nur ein bis zwei Jungtiere auf.

Boas Steffani von der Hochschulgruppe ist mit Begeisterung dabei, er studiert Umweltplanung und Ingenieurökologie im Master. Die günstigste Zeit zur Kartierung ist morgens oder abends vor Sonnenuntergang. Tagsüber sind die Vögel außerhalb der Stadt auf Insektenfang. Mauersegler etwa fliegen am Tag zwischen 200 und 600 Kilometer auf Futtersuche. Die Kartierung wird inzwischen mit einer speziellen App unterstützt, sie zeigt den Helfern auf einer Karte, wo bereits erfasste Nester sind.

Oft wissen Hausbesitzer nicht einmal, dass sie tierische Untermieter haben. Und auch nicht, dass sie für deren Schutz verantwortlich sind. Denn das Naturschutzgesetz verbietet die Zerstörung der Lebensräume geschützter Tiere, wie es Schwalben und Mauersegler sind. Bauarbeiten darf es natürlich trotzdem geben, allerdings muss einiges beachtet werden: Die Brutzeit und die Tatsache, dass Ersatznester geschaffen werden müssen, wenn die Alten etwa nach Sanierungen kaputt sind. Dafür gibt es bei der Unteren Naturschutzbehörde Merkblätter und mittlerweile auch schon viele bauliche Hilfen, die auch ästhetisch punkten, etwa mit von außen nicht auffälligen Niststeinen.

Warum die Zahl der Tiere trotzdem abnimmt, weiß man nicht. "Sie fliegen in Winterquartiere südlich der Sahara, auf dem Weg kann viel passieren", sagt Langebartels. Von den 50 Brutplätzen in Landshut, die er im Auge habe, seien heuer nur 30 besetzt. Hier in Deutschland könne man nur dafür sorgen, dass die Vögel weiter Nahrung, also Insekten, finden und ihre Nistplätze behalten.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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