Im Kampf gegen Fluchtursachen:Hilfe auf Augenhöhe

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Die ersten Schülerinnen sind im Januar 2016 in die Secondary School in Chonyonyo eingezogen. Mädchenbildung ist "Marafiki wa Afrika" besonders wichtig. (Foto: oh)

Der Verein "Marafiki wa Afrika" erhält kurz vor seinem 25. Geburtstag den Bayerischen Asylpreis für seine Arbeit in Tansania

Von Peter Buchholtz, Freising

"Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast", heißt es in "Der kleine Prinz" - und es ist auch oft die Antwort, die Mitglieder des Vereins "Marafiki wa Afrika" auf die Frage geben, warum sie das alles machen. Die "Freunde für Afrika", so die Übersetzung aus dem Kisuaheli, leisten seit 1993 Entwicklungsarbeit in Tansania. Dabei ist ihnen wichtig, dass die Idee für ein Projekt vor Ort entsteht und die Entwicklungshelfer die Visionen zwar unterstützen, den Menschen aber nicht ihre eigene Vorstellung von Entwicklungshilfe aufzwingen. Dafür hat die vom Bayerischen Integrationsrat gewählte Expertenjury den Verein "Marafiki wa Afrika" jetzt mit dem Bayerischen Asylpreis ausgezeichnet.

Für Integrationsministerin Emilia Müller ist die Stärkung der Frauen in den Heimatländern wichtig, wie sie bei der Verleihung betonte: "Beispielsweise durch gute Bildungsmöglichkeiten vor Ort, für die sich auch der diesjährige Asylpreisträger in Tansania einsetzt. Durch Bildung erhalten die Frauen eine bessere Perspektive für eine bessere Zukunft in ihrer Heimat."

Durch den Bau von zwei Mädchenschulen und das langjährige Mitwirken in weiteren Projekten in der Region Karagwe bekämpft der Freisinger Verein seit fast 25 Jahren eine der Hauptursachen für die Flucht nach Europa: mangelnde Mädchenbildung. Doch wie ein Kampf klingt es nicht, wenn Christine Albrecht, Vorstandsmitglied, von der Arbeit in Tansania und Deutschland erzählt. Um sich gegenseitig auf Augenhöhe zu begegnen und die Zusammenarbeit zu stärken, stand für die Mitglieder von Tag eins an der interkulturelle Austausch im Zentrum der Arbeit.

Gemeinsam mit den tansanischen Trägern "Marafiki wa Afrika Tansania" und "Mavuno" fördert der Verein zwei Schulprojekte in der Region im Nordwesten Tansanias, nahe der Grenze zu Burundi, Ruanda und Uganda. Träger der Baramba Girls Secondary School, 1999 im Ngara Distrikt im Nordwesten Tansanias gegründet, ist der Verein "Marafiki wa Afrika Tansania", der 1995 als Partnerverein des deutschen Vereins entstand. Die im Januar 2016 eröffnete Secondary School in Chonyonyo wird vom Verein "Mavuno" getragen, ursprünglich eine Selbsthilfe-Gruppe von Bauern.

"Wir wollen, dass sich jeder dort mit seinen Potenzialen entfalten kann, wo er geboren ist", sagt Albrecht. Sie ist seit der Gründung vor knapp 25 Jahren mit dabei und sieht das Vierteljahrhundert als Phase, in der man sich gemeinsam weiterentwickelt hat. "Das ist total interessant. Man kann so viel über sich selbst lernen und wie man tickt", sagt die 45-Jährige.

Gelernt haben sie etwa, dass Entwicklungsarbeit "von oben herab" nicht in ihrem Sinne ist. "Die Leute wissen selbst besser, wie sie das vor Ort steuern", sagt Albrecht, "das funktioniert anders als bei uns". Gemeint ist etwa die Art der Kommunikation, die sich drastisch unterscheide. So sei es in Tansania üblich, dass beim ersten Kontakt überhaupt nicht das Thema besprochen werde, weswegen man sich eigentlich treffe. Im starken Kontrast dazu stehe die direkte Art Dinge anzugehen, wie sie in der deutschen Kultur verankert sei.

"Den Horizont zu weiten, sich seiner eigenen kulturellen Prägung bewusst zu werden, deren Bedeutung zu erkennen, ist eine große Faszination, ein Schatz", fasste die Vorsitzende Cordula Riener-Tiefenthaler in ihrer Rede im bayerischen Landtag den Wert des interkulturellen Lernens zusammen. Sie bildet derzeit mit Franz Pointner die Doppelspitze des in Freising gegründeten Vereins, der inzwischen einen bayernweiten Unterstützerkreis hat.

70 Mitglieder zählt er heute, etwa 15 davon beteiligen sich aktiv an den Projekten. Fördermittel erhält der Verein bislang nicht. Mit der Ausrichtung des Vereins sei es schwer, passende Förderprogramme zu finden, "wir passen in keine richtige Schublade", sagt Albrecht, "versuchen gerade aber, größere Träger ins Boot zu holen". Ein Verein wie "Marafiki wa Afrika" könne den Bau von einer Schule für tausend Kinder nicht alleine stemmen, daher würden sie nun verstärkt Stiftungen kontaktieren.

Die Mitgliedsbeiträge finanzieren bislang vor allem die Verwaltungs- und Seminarkosten, oft würden aber zusätzlich zu den privaten Spenden Teile der Mitgliedsbeiträge nach Tansania weitergeleitet. Zudem ermöglicht der Verein jedes Jahr Menschen aus Deutschland in einem Volunteer-Programm, bis zu ein Jahr lang aus ihrem normalen Leben auszusteigen. Auch Pointner kam durch den intensiven Austausch und die Möglichkeit, die andere Kultur zu erleben, zu dem Verein. Hier wird der eigentliche Leitsatz der "Freunde für Afrika" deutlich - ein tansanisches Sprichwort: "Berg und Tal kommen nicht zusammen, aber Menschen."

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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