Hopfenbauern beklagen große Verluste:Dolden im Hitzestress

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Der Hopfen liebt eher feuchte Sommer - bisher war das kein Problem. Doch mit dem Klimawandel wird auch die Züchtung trockenresistenter Sorten immer wichtiger

Von Petra Schnirch, Freising

Der Minister ist nicht gekommen, Helmut Brunner hatte sich krank gemeldet. Acht gekrönte Häupter aber waren da und keiner der Redner versäumte es, die "Hoheiten", die Hopfenköniginnen und -prinzessinnen aus der Hallertau, Spalt und Tettnang sowie die Bierkönigin aus Starnberg, zu begrüßen. Doch selbst so viel Glanz lenkte nicht davon ab, dass 2015 für die Hopfenpflanzer kein gutes Jahr wird. Die Bauern rechnen mit einer unterdurchschnittlichen Ernte, laut offizieller Schätzung werden sie in der Hallertau wohl etwa 470 000 Zentner (23 500 Tonnen) einbringen, das sind 29 Prozent weniger als 2014, einem allerdings sehr guten Jahr.

Diese Zahlen gab der Verband deutscher Hopfenpflanzer am Donnerstagnachmittag bei der traditionellen Hopfenrundfahrt bekannt, die jeweils zu Beginn der Erntezeit stattfindet. Ausrichter war diesmal der Landkreis Freising, etwa 200 Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbänden waren der Einladung von Landrat Josef Hauner gefolgt und auf den Huberhof nach Airischwand gekommen.

Obwohl man sich in der Branche kennt und auf ein Wiedersehen bei solchen Anlässen freut, hätte die Stimmung besser sein können. Auf dem Weg zum Hopfenforschungszentrum Hüll bei Wolznach gingen die Blicke aus den Bussen immer wieder hinaus zu den Hopfengärten, in denen die Reben jetzt eigentlich dicht und in sattem Grün über den Drahtgestellen hängen müssten. Doch an vielen Stellen hat es der Hopfen an den Rankgerüsten gerade mal so nach oben geschafft, die Blätter sind zum Teil schon gelb und welk, die Dolden nicht sehr zahlreich. Es war zu lange zu heiß und zu trocken - und "jeder Tag Hitze verschärft die Situation", sagte Otmar Weingarten, Geschäftsführer des Verbands deutscher Hopfenpflanzer.

Für die Landwirte bedeutet dies, dass sie nach dem hoffnungsvollen Jahr 2014, als es endlich aufwärts zu gehen schien, wieder einmal mit gemischten Gefühlen in die Zukunft blicken. Der Hopfenpflanzer-Verband befürchtet, dass Betriebe in Einzelfällen nur die Hälfte des Vorjahres-Einkommens erwirtschaften und die Kosten kaum decken könnten, sagte Präsident Johann Pichlmaier. Für viele "wird sich das Hopfenjahr 2015 als ein Verlustjahr erweisen". Nach ersten Schätzungen werden bei den 1171 Hopfenbaubetrieben in Deutschland - 947 davon befinden sich in der Holledau - "in diesem Jahr mindestens 50 Millionen Euro weniger ankommen" als noch 2014. Auch die Handelsunternehmen dürften mangels Nachschub Probleme haben, ihre Lieferverträge zu erfüllen.

Bräunlich gelb und licht statt sattgrün: Die Hopfenreben leiden unter Hitzestress. (Foto: Marco Einfeldt)

Dies kommt zu einem Zeitpunkt, da sich in der Branche, trotz des weiter rückläufigen Bierkonsums, gerade ein gewisser Optimismus breit machte. Die Craftbeer-Szene fasst nach den USA auch in Deutschland Fuß, das Interesse an Bieren mit individuellen Geschmacksnoten und höheren Zugaben von Aromahopfen wächst, wenngleich dies vorerst eine Marktnische bleibt. Die Landwirte waren wieder bereit zu investieren: In der Hallertau erhöhte sich die Hopfenanbaufläche zuletzt um 444 auf 14 910 Hektar, das ist ein Plus von drei Prozent. Die neue Zuversicht erhält nun einen Dämpfer.

Jahre wie 2015 wird es laut Pichlmaier immer wieder geben, "in Zukunft vielleicht etwas gehäufter". Hoffnungen setzen die Bauern hier auch auf das Forschungszentrum in Hüll, das zur Landesanstalt für Landwirtschaft (LFL) in Weihenstephan gehört. Der Hopfen liebt eher feuchte Sommer - bisher war das in der Regel kein Problem. Doch mit dem Klimawandel komme der Züchtung trockenheitsresistenter Sorten eine Schlüsselfunktion zu, sagte Christian Stockinger, Vizepräsident der Landesanstalt, der den erkrankten Landwirtschaftsminister vertrat. Hier sei das Know-how im "Silicon Valley des Hopfens" gefragt, ebenso beim Thema Bewässerung. Die Kritik des Bayerischen Obersten Rechnungshofs an den Kosten der Hopfenforschung stieß bei der Hopfenrundfahrt deshalb auf Unverständnis. "Wir können uns den Hopfenanbau sonst schenken", meinte Pichlmaier, dann "wären wir nicht mehr wettbewerbsfähig".

In Hüll entwickelte LFL-Mitarbeiter Anton Lutz auch vier neue Sorten, sogenannten Special-Flavor-Hopfen, die seit drei Jahren auf dem Markt sind. Stefan Stanglmair aus Reichertshausen bei Au hat bereits auf einem Drittel seiner 15 Hektar Anbaufläche "Mandarina Bavaria", "Huell Melon", "Hallertau Blanc" und "Polaris" gepflanzt. Allein die Namen zeigen schon: Sie verleihen dem Bier eher fruchtige Aromen. War dies früher unerwünscht, sorgen sie nun dafür, dass sich Bierverköstigungen hinter Weinproben nicht mehr verstecken müssen.

Stanglmair, weiß-blau-kariertes Hemd, kurze Lederhose, Hofbesitzer in 21. Generation, kurzum ein gestandenes Mannsbild, hat ein Faible für diesen Trend. Der 40-jährige Landwirt ist auch Biersommelier, entsprechend wortreich präsentierte er die Kreationen mehrerer Brauereien, von denen sich die Teilnehmer der Rundfahrt Kostproben holen konnten. Die Beschreibung reichte von "leichter Malzspur, gepaart mit fruchtigen Hopfennoten, im Geruch und Geschmack an Beeren, Trauben und Zitrusfrüchte erinnernd" zu "fruchtigem Ensemble aus Pfirsich, Rosinen und Amarenakirschen mit karamelligem Ton". Die Hof-Gäste schnupperten und probierten. "Eher ein Damenbier", fand Moosburgs Bürgermeisterin Anita Meinelt angesichts der "Fruchtbombe mit exotischem Geschmack" in ihrem Glas. Am Stammtisch durchsetzen wird sich dieser Trend eher nicht, aber die Experimentierfreude der Verbraucher wächst auch hierzulande.

Obwohl Stanglmair seine gesamten Bestände aus einem eigenen Brunnen bewässert, leiden auch seine Pflanzen unter dem Hitzestress. Die 15 Liter pro Pflanze und Tag seien in so einem Sommer noch zu wenig, erklärte er. Deshalb rechnet er mit Eintragseinbußen von etwa 30 Prozent. Vor der großen Hitze hatte Ende Juni ein Hagelschauer einen Teil der Pflanzen beschädigt. Neue Versicherung aber bräuchten die Hopfenpflanzer keine, "sondern nachhaltig stabile Hopfenpreise", damit die Bauern eine angemessene Kapitalrendite erwirtschaften könnten, sagte er selbstbewusst. Das fordert auch Verbandspräsident Pichlmaier, obwohl er weiß, dass der Bierpreis in Deutschland ein heikles Thema ist. Erhöhungen lassen sich nur schwer durchsetzen, zu viel günstiges Industriebier ist auf dem Markt.

Zumindest die schlechte Ernte dürfte keine Auswirkungen auf den Preis haben, die Kosten für den Hopfen bei der Bierproduktion sind minimal. Probleme aber könnten die Craftbeer-Macher bekommen. Ein Händler meinte, dass es gerade in diesem Segment wegen der schlechten Ernte zu Engpässen kommen könnte.

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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