Bauhaus Haag:Rettung vor dem Abriss

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Das alte Haager Brauhaus gilt als beispielhaft für den Industriebau in Bayern. Es hätte nicht mehr lange gedauert, bis es verfallen wäre.Jetzt kann man dort wohnen

Von Katharina Aurich, Haag

Den Hauch vergangener Jahrhunderten spüren die Mieter hinter den dicken Mauern im ehemaligen Haager Brauhaus. Seit dem der mittlerweile verstorbene Christian Hofmair 1999 das unter Denkmalschutz stehende Gebäude ersteigert und vor dem Verfall gerettet hatte, ist viel passiert. Stück für Stück wurde zuerst der Dachstuhl saniert, die Fassade neu verputzt, gestrichen und es entstanden nach und nach zehn Wohnungen mit individuellen, an das Gebäude angepassten Grundrissen.

Jetzt wird der Keller von außen freigelegt und isoliert, schildert Anton Hofmair den Stand der Arbeiten. Er und seine Tochter Bettina führen das Erbe ihres verstorbenen Bruders und Sohnes genauso unbeirrt fort, wie dieser es getan hatte. Auch die Haager Gemeinderäte glaubten an dieses ungewöhnliche Projekts und hatten 30 000 Euro als Zuschuss für die Fassadengestaltung, die schließlich dem gesamten Ortsbild zugute kommt, bewilligt. Natürlich haben Hofmairs keine völlig freie Hand bei der Sanierung des historischen Gebäudes, die Auflagen des Denkmalschutzes sind streng. So dürfen beispielsweise die Fenster in der Front nicht vergrößert werden, was die Eigentümer vor weitere Herausforderungen bei der Gestaltung der Wohnungen stellte. Wenn der Keller fertig isoliert ist, werden die Außenanlagen gestaltet. Mieter für die unterschiedliche gestalteten Wohnungen zu finden sei kein Problem, schildert Hofmair.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Alte Deckenbalken, lange Gänge, Rundbögen, hohe Wände...

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(Foto: Marco Einfeldt)

...und ein Treppenhaus aus vergangenen Zeiten.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Das Wohngefühl im alten Haager Brauhaus ist mit Sicherheit ein ganz besonderes.

Zum Wohnen war das Brauhaus ursprünglich nicht gedacht. 1786 errichteten die Grafen von Lodron in Sichtweite ihres Schlosses den mächtigen Bau. 76 Jahre lang hatten sie sich mit dem Kurfürsten um das Braurecht gestritten, denn die Besitzer der umliegenden Brauereien in Isareck, Au und Moosburg versuchten, direkte Konkurrenz in ihrer Nähe zu verhindern. Da es im 18. Jahrhundert noch keine Industriearchitektur gab, wurde das 58 Meter lange und 22 Meter breite Gebäude schlossähnlich gestaltet und es sei für die Entstehung des gesamten Industrie- und Gewerbebaus in Bayern bedeutsam, heißt es von der Denkmalpflege. Das Schloss samt Brauhaus und der Schlossgarten mit seinen exotischen Bäumen bildeten vor 250 Jahren das Zentrum der Ortschaft Haag. Daneben befanden sich die kleinen Häuser der Handwerker und Bauern, die für die Adeligen arbeiteten. Der Löwe mit dem Brezenschweif auf rotem Grund, das Wappen des aus Italien stammenden Adelsgeschlechts der Lodron, ist heute noch das Wappen der Gemeinde Haag.

Im vergangenen Jahrhundert erwarb dann die Familie Hörhammer das Brauhaus, Tochter Elisabeth legte 1944 als erste Frau in Bayern die Braumeisterprüfung ab, übernahm den elterlichen Betrieb und braute nach dem Krieg jährlich 7000 Hektoliter Bier. Bis 1968 waren in Haag Sudpfanne und Gärkessel in Betrieb, dann jedoch wurde der Braubetrieb eingestellt, Geschäfte und Kundschaft übernahm das Gräflich Moysche Hofbräuhaus in Freising.

1990 kaufte Graf Guy von Moy das historische Ensembles aus Brauhaus, den letzten erhaltenen Schlossflügel, auch Herrenhaus genannt, den Schlossgarten und den Biergarten Schlossallee. Die Gebäude verfielen in den kommenden Jahren zusehends. Für das Herrenhaus erhielt Moy schließlich 1997 die Abrissgenehmigung. In dem alten Gebäude befand sich eine kleine Kapelle, in der die Grafen Lodron Gottesdienst feierten. Das Inventar der Kapelle, die Reliefs mit den vier Evangelisten, das Chorgestühl und die Statuen wurde nach dem Abriss an verschiedenen Stellen eingelagert.

Die Denkmalschützer haben bei der Sanierung auch ganz genau hingeschaut. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Brauhaus hatte mehr Glück, zwar war der Dachstuhl eingefallen und es regnete in das Gebäude hinein, aber davon ließ sich Familie Hofmair nicht abschrecken. Wie viel Arbeit in der Erhaltung eines solchen Gebäudes steckt, kann nur derjenige ermessen, der darin arbeitet. Zusammen mit Architekten und Denkmalschutzexperten entstanden die Pläne für die zehn Wohnungen. Das Gebäude sollte optimal genutzt, aber sein Charakter erhalten bleiben. Als erstes wurde die äußerst seltene Dachkonstruktion, ein zweifach liegender Kehlbalkendachstuhl, wieder instandgesetzt und verfaulte Balkenstücke ausgetauscht, um das Gebäude winterfest zu machen und weitere Schäden zu verhindern.

Die riesigen Dachflächen wurden mit Biberschwanzziegeln neu eingedeckt, Dachgauben wieder eingebaut und die Fußbodenbalken im ersten Stock über den Gewölben des Erdgeschosses vollständig hergestellt. Im Sudhaus wurden die Kessel, Betonsockel und Gerätschaften abgerissen und anschließend die Wände verputzt, gekalkt und ein Boden aus Hirnholzklötzen verlegt. Doch nicht nur das Brauhaus möchte Familie Hofmair erhalten, sondern auch die kleine Kapelle wieder aufbauen, damit die Kunstwerke wieder einen Platz bekommen.

© SZ vom 08.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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