Gute Bedingungen in Weihenstephan:Forschung für Mensch und Tier

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Der Humanmediziner Dietmar Zehn untersucht in Weihenstephan, wie Infektionen und Tumore bekämpft werden können

Von Katharina Aurich, Freising

Mit der Berufung des Humanmediziners Dietmar Zehn auf den Lehrstuhl für Tierphysiologie und Immunologie am Wissenschaftszentrum Weihenstephan verstärkt die TU München ihre Vernetzung der Humanmedizin mit den Lebenswissenschaften. Erkenntnisse aus der Immunologie über Abwehrmechanismen gegen Infektionen oder Tumore beträfen Mensch und Tier in gleicher Weise. "Mich hat schon immer die Grundlagenforschung interessiert, dabei gibt es keine Einteilung in human- oder tierrelevante Forschung," schildert Zehn. Er konzentriere sich in Weihenstephan zwar auf nutztierrelevante Fragen, lasse aber die therapeutischen Anwendungen für den Menschen nicht außer Acht.

"Mit Professor Zehn haben wir einen international herausragenden Wissenschaftler gewinnen können, der den Brückenschlag zwischen Agrar- und Ernährungswissenschaften zur Medizin in neuartiger Weise verstärkt. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal der TU München", betont Pressesprecherin Sabine Letz. Nach seinem Studium an der Charité in Berlin erhielt Dietmar Zehn die Chance, fünf Jahre lang in Seattle, USA, als Postdoc in einem immunologischen Labor zu arbeiten. Dort widmete er sich der Grundlagenforschung über Infektionskrankheiten sowie Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes oder Multiple Sklerose. Damit wirkungsvolle Medikamente für Patienten entwickelt werden können, müssten die Mechanismen der Krankheiten erforscht werden - und vor allem auch, was sie auslöse, schildert der Wissenschaftler.

Anschließend arbeitete Zehn sechs Jahre lang in renommierten Laboren in der Schweiz, bis ihn der Ruf an die TU München bewog, noch einmal umzuziehen. Die guten Forschungsbedingungen und die enge Anbindung an andere Institute, darunter das Klinikum Rechts der Isar, hätten ihn überzeugt, sagt Zehn. Da er insgesamt elf Jahre lang in den USA und der Schweiz gearbeitet hat, ist der 1976 geborene Mediziner international gut vernetzt und hat auch Mitarbeiter aus der Schweiz mit an seinen Lehrstuhl nach Weihenstephan gebracht, den er seit Herbst personell und vor allem mit modernsten Analysegeräten aufbaut. "Erfolgreiche Forschung in der Immunologie, die sich mit Infektionen auseinandersetzt, funktioniert nur in großen Verbünden und interdisziplinär", betont Zehn.

Natürlich sei Medizinforschung sehr teuer, in den USA unterstützten ihn der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und eine US-Stiftung finanziell. "Meine Forschung ist bisher ausschließlich von staatlichen Institutionen und gemeinnützigen Stiftungen gefördert worden", betont der Wissenschaftler. Derzeit untersucht Zehn die Wirkungsweise sogenannter T-Zellen, die im Thymus, einem Organ unseres Immunsystems, gebildet werden. Sie erkennen und zerstören von Viren infizierte Zellen und unterstützen die Abwehr von Grippe- oder Hepatitisviren.

"Wir möchten verstehen, wann und durch welche Mechanismen T-Zellen die meisten Infektionen eliminieren, aber beispielsweise bei HIV, Hepatitis C oder aber bei Tumoren versagen. Solche Kenntnisse würden für die Entwicklung von Impfstoffen oder Medikamenten nützen", schildert der Mediziner. Das Immunsystem funktioniere nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip, es gebe Milliarden unterschiedlicher Zellen in einem Organismus. Was die Wissenschaftler umtreibt: Wie schaffe es der Körper, diejenige T-Zelle zu finden und massiv zu kopieren, die auf eine bestimmte infizierte Zellen passt und den Virus vernichten kann? Verstehe man, wie eine passende Zelle gefunden und vor allem vermehrt wird, lasse sich dieses Wissen zur Entwicklung von Impfstoffen oder Therapien, beispielsweise gegen HIV oder Krebs, oder eben auch zur Bekämpfung von Krankheiten bei Nutztieren, einsetzen. Es gelte, die Schutzmechanismen der Pathogene und Tumore zu durchbrechen, schildert der Wissenschaftler.

Solche Fragen ließen sich nur mit sogenannten Durchflusszytometern zur Analyse und Sortierung von Zellen realisieren, Zehn gelang es, Geräte der neuesten Generation für Weihenstephan einzuwerben. Bis zu 20 000 Zellen kann das über eine halbe Million Euro teure Gerät innerhalb einer Sekunde auswerten und sortieren. "Ein großes Problem sowohl in der Human- wie auch in der Tiermedizin sind die zunehmenden Resistenzen der Erreger gegen Medikamente", sagt Zehn.

In Kooperation mit dem TU-Versuchsbetrieb Veitshof untersuchen er und sein Team daher den Immunstatus von Rindern. Sie wollen herausfinden, anhand welcher Parameter Infektionen oder Stoffwechselentgleisungen nach dem Kalben in einem sehr frühen Stadium erkennbar sind, um rechtzeitig und mit geringem Medikamenteneinsatz eingreifen zu können. Bevor sie weitere Projekte starten, warten die Wissenschaftler aber noch auf eine Modernisierung der Versuchsställe im Freisinger Veitshof.

Neben seiner Forschung hält Zehn Vorlesungen für alle Studierenden, die sich für diese Themen interessieren, und natürlich für Landwirtschaftsstudenten, angehende Ernährungswissenschaftler oder Biotechnologen. Anhand spannender praktischer Beispiele will der Hochschullehrer seine Studenten auf die zukünftigen Herausforderungen gut vorbereiten. "Aufklärung ist mir sehr wichtig, Krankheitserreger mutieren und es gibt immer wieder neue Formen."

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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