Gut fürs Gewissen:Das faire Klassenzimmer

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Bei einer Modenschau am Camerloher-Gymnasium präsentieren Schüler Fair-Trade-Kleidung. Die eigentliche Überraschung sind aber die Lehrer. Sie modeln ebenfalls gekonnt und sehen im neuen Look richtig gut aus

Von Rebecca Seeberg, Freising

Als es losgehen soll, fängt es erst einmal an zu regnen. Die Gäste des Sommerfests am Camerloher-Gymnasium suchen hastig Unterschlupf und drängen sich unter das Turnhallenvordach. Ein paar Schüler retten sich unter die frei stehenden Stände. Besorgt blickt Daniela Görlich-Kunert in den Regen hinaus. Denn unter ihrer Leitung hat das Fair-Trade-Team der Schule für den Abend eine Modenschau mit Fair Fashion organisiert.

Günther Sesselmann, Inhaber des Freisinger Bekleidungsgeschäfts Fashion & More, hat zu diesem Anlass 40 Schüler und einige Lehrkräfte eingekleidet. Sie sollen ökologische und faire Kleidung auf dem Catwalk präsentieren - auf den zu diesem Zeitpunkt noch dicke Regentropfen platschen. Seit 2013 darf sich das Camerloher "Fairtrade-School" nennen und muss sich dieses Gütesiegel alle zwei Jahre neu verdienen. In diesem Jahr ist es wieder an der Zeit. Neben der Modenschau haben die Organisatoren Günther Sesselmann und Daniela Görlich-Kunert deshalb einen Ausstellungsraum über die Konsumgesellschaft und alternative Wege gestaltet.

Als der Regen dann doch aufgehört hat, gibt Görlich-Kunert grünes Licht für die Models. Bänke und Tische werden mit Tafelabziehern abgewischt, die Modenschau kann beginnen. In perfekt einstudierten Choreografien präsentieren die Schüler kunterbunte T-Shirts. Moderatorin Anna Rottenfußer trägt ein grünes Kleid aus Bio-Baumwolle, Eukalyptus- oder vielleicht sogar aus Buchenholzviskose. Mit der Slow Fashion erfinde sich die Mode gerade neu, sagt die Schülerin. Die Kleidungsstücke seien nicht nur pestizidfrei und angenehm zu tragen, sondern sorgen auch für ein gutes Gewissen. Zu Hip-Hop-Beats betritt unterdessen ein junger Mann die Bühne. Lässig schlendert er im Verbund mit fünf Mädchen an den vorderen Rand des Laufstegs. Er gefällt sich in seinen edlen Blue Jeans.

Ob mit Sneakers, Espadrilles oder Chucks - die Models beherrschen ihre Posen. Mit der Hand an der Hüfte, der Sonnenbrille aus recycelten Computern im Haar und der Tasche aus alten Kaffeesäcken über der Schulter präsentiert eine Gruppe den Modetrend. Ebenfalls mit Sonnenbrillen kommen zum Schluss die Lehrer des Gymnasiums auf Bühne. Akademiker, die sonst in förmlicher bis biederer Garderobe an der Tafel stehen, sorgen mit roten High Heels, eng anliegenden Jeans und zurückgesteckten Haaren für Aufsehen unter den Schülern und Zuschauern.

Jetzt zeigt sich, was jahrelanges Abschreiten der Flure in Kombination mit dem Balancieren diverser Unterrichtsmaterialien gebracht hat. In Lederjacke und schwarzen Stiefeln tänzelt ein junger Lehrer über die Bühne und lockert seinen Walk mit Ausfallschritten auf, so dass eine Mädchengruppe vor Verzückung kreischt. Susanne Roepke, ebenfalls modelnde Lehrerin, ist begeistert von ihrem neuen Look. Sie trägt eine weite Leinenhose, dazu weinrote Schuhe und ein elegantes Top aus Hanf. "Ich bin in den Achtzigern groß geworden", erzählt sie, "damals steckte die Ökologie noch in den Kinderschuhen." Die selbst gestrickte Müslimode mancher Eltern sei damals ein absolutes No-Go für den Berufsalltag gewesen, sagt Roepke. Dass das Etikett der Modesünde der heutigen Slow Fashion nicht mehr anheftet, beweisen die Lehrer auch mit ihrem zweiten Auftritt im Business-Look.

Sie präsentieren die Mode erneut so gekonnt, dass man meinen könnte, es mit echten Models zu tun zu haben. In ihrem "Cosmopolitan-Style" - so bezeichnet Günther Sesselmann den Look - sehen die Lehrer richtig gut aus. Wer hätte das gedacht?

© SZ vom 31.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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