Gesetz "Amnog":Apotheker kämpfen ums Überleben

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Das neue Gesetz mit dem Kürzel "Amnog" macht das Geschäft mit Medikamenten vor allem auf dem Land immer weniger rentabel.

Hubert Grundner

"Diese Bürokratie ist furchtbar", sagt Antonie Hörwick, Inhaberin der SanktGeorg-Apotheke in Haag - und redet sich dann schnell in Rage. Zur eigentlichen Arbeit komme sie kaum mehr, ständig müsse sie am Computer sitzen und studieren, was ihr die jüngste Neuerung im Gesundheitswesen an zusätzlichen Auflagen und Aufgaben aufgebürdet hat: Das "Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz", kurz Amnog, das der Bundestag im November beschlossen hat und das am 1.Januar in Kraft getreten ist, es ist für Hörwick die schiere Zumutung. Selbst die Medikamenten- und Software-Firmen hätten die erforderliche Umstellung nicht vor Februar bewerkstelligt. Von den Apothekern aber werde das ganz selbstverständlich seit Jahresbeginn verlangt.

Heilung verspricht das Apothekerkreuz, das der Künstler Andreas Sailstorfer bei der Paradiesausstellung am Eingang des Freisinger Diözesanmuseums platziert hatte. Der Verkauf von Heilmitteln indes ist für manche Apotheke mittlerweile kein gutes Geschäft mehr. (Foto: Marco Einfeldt)

Vertue sie sich jetzt beispielsweise bei einer Packungsgröße, zahle die Krankenkasse ihr einfach nichts mehr, ärgert sich die Apothekerin. So ein Irrtum aber ist schnell geschehen, wie Hörwick erklärt. Denn bei den Packungsgrößen herrsche mittlerweile ein völliges Tohuwabohu. Selbst auf "Normgrößen" könne man sich nicht mehr verlassen. Und um das Ganze noch etwas komplizierter zu machen, müsse sie als Apothekerin auch noch berücksichtigen, welche Krankenkasse bei welchen Medikamenten welche Rabattverträge abgeschlossen hat, bevor sie einen Patienten bedienen kann. Es mache keinen Spaß, sich nur mit solchen Dingen beschäftigen zu müssen. "Langsam verwalten wir uns nur noch selber", schimpft Hörwick.

Amnog wird nach Auskunft von Thomas Metz, Sprecher des Bayerischen Apotheker-Verbands, dem Berufsstand einen Einkommensverlust von 15 bis 20 Prozent bescheren. Deutschlandweit rechnet er mit einem Minus von mindestens 200Millionen Euro. Denn zum 1.Januar hat sich auch der Zwangsrabatt auf verschreibungspflichtige Medikamente von 1,75 auf 2,05 Euro erhöht, den die Apotheken an die gesetzlichen Krankenkassen abführen müssen. An den 8,10Euro hingegen, die der Apotheker je Rezept erhält, unabhängig vom tatsächlichen Preis der jeweiligen Arznei, hat sich nichts geändert.

"Amnog ist eine echte Belastung", bestätigt Christina Kalus, Inhaberin der Apotheke am Langenbach in Langenbach.Sie verweist aber auch auf Probleme, die darüber hinausgehen. Zum einen habe sie in einer ländlichen Gemeinde nicht so viel Laufkundschaft wie ihre Kollegen in den großen Städten. Die Möglichkeit, ihre Apotheke durch Spezialisierung rentabel zu betreiben, sei ebenfalls geringer, da sie als einziger Anbieter ein eher breit gefächertes medizinisches Angebot vorhalten müsse. Und so wie bei den Apotheken verhält es sich auf dem Land auch mit den Ärzten: Oft gebe es im Umkreis nur einen oder einige wenige, von denen sie als Apothekerin wiederum abhängig sei, sagt Kalus. "Wenn der im Urlaub ist, spüren wir das", beschreibt sie die Folgen für ihr Geschäft.

Ihr berufliches Schicksal ist aber aus noch einem Grund mit den ortsansässigen Medizinern verknüpft: Die Arztnachfolge auf dem Land ist bekanntlich ein drängendes Problem. Jede Praxis die schließt, bedroht auch den Fortbestand von Apotheken. Doch "ums Überleben kämpfen" musste Kalus nach eigener Aussage schon immer. Seit sie sich 1991 selbständig machte, hat sie unzählige Neuerungen im Gesundheitswesen mitgemacht. Und sie sieht auch die Vorteile ihrer Apotheke in Langenbach, die sie am 1. April vergangenen Jahres eröffnet hat. So habe sie es hier mit sehr viel Stammkundschaft zu tun, die man gut beraten und betreuen könne, beispielsweise mit einem eigenen Lieferservice. Ans Aufgeben - wie ihre Vorgängerin - denkt sie jedenfalls nicht. Im Gegenteil: "Ich bin zufrieden soweit", sagt Christina Kalus.

Relativ schwarz sieht dagegen Thomas Bauer von der Freisinger Kloster-Apotheke für einige Berufskollegen. Bauer, bis vor kurzem Sprecher der Apotheker im Landkreis Freising, rechnet durchaus mit Geschäftsaufgaben. Denn der ökonomische Druck nehme nicht nur auf der Verkaufsseite wegen der Zwangsrabatte zu, sondern auch auf der Einkaufsseite: Von den Medizinherstellern über den Großhandel bis schließlich zu den Apotheken würden schlechtere Einkaufskonditionen durchgereicht. Viele Apotheken aber hätten kaum noch Einsparpotential, zum Beispiel in Form von Entlassungen. Und wenn das doch geschehe, gehe es auf Kosten der Patientenberatung.

Ein Drittel der Apotheker weist laut Bauer ein Vorsteuerergebnis von unter 50000Euro auf: Die betreiben nach Einführung des Gesetzes ihr Geschäft "künftig nur zum Spaß". In Freising wisse er jedenfalls einen Apotheker, der verkaufen wolle - aber keinen Käufer finde.

© SZ vom 03.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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