Für Feuerwehr und BRK:Katastrophen nach Drehbuch

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Beim gemeinsamen Übungstag werden verschiedene Unfallszenarien so realistisch wie möglich nachgestellt.

Lara Liese

- Die Unfallstelle ist nicht zu sehen, ein Dutzend Schaulustige versperrt die Sicht. In dem Waldstück neben einer Straße sei ein Unfall geschehen, heißt es, drei Fahrzeuge seien beteiligt und es gebe mehrere Verletzte. Beim Näherkommen zeigt sich: Auf der Straße liegt ein Fahrradfahrer regungslos auf seinem Rad, dahinter ein umgefallener Bauwagen, an den ein seitlich gekippter Opel Corsa lehnt.

Wenige Sekunden später ertönen Sirenen, Blaulichter sind durch das Dickicht zu erkennen. Die Feuerwehrfahrzeuge halten vor der Unfallstelle und sofort rennen Feuerwehrmänner- und -frauen auf den Unglücksort zu. "Wir müssen jetzt erstmal die Anzahl der Verletzten abschätzen", ruft einer der Helfer, während er in das Auto sieht. Ein anderer kniet bereits neben dem immer noch regungslosen Fahrradfahrer: "Er ist nicht ansprechbar und ich kann auch keinen Puls fühlen", sagt er. "Wenn da nichts zu spüren ist, ist er tot oder?" fragt er den leitenden Notarzt Christian Fiedler. "Wenn nichts ist, ist er in der Regel tot", antwortet dieser lachend.

Solche Witze sind natürlich nur möglich, weil an diesem Samstag alles gespielt ist: Zum achten Mal hat die Freisinger Feuerwehr einen gemeinsam Übungstag mit dem Freisinger Roten Kreuz organisiert. Geübt wird auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände an der Haindlfingerstraße. Besonders soll an diesem Tag die Zusammenarbeit und Absprache zwischen den Feuerwehrler aus dem Freisinger Stadtgebiet und den Mitarbeiter des BRK geübt werden.

"Alleine kann es jeder, das wichtige ist die Kommunikation", erklärt Stadtbrandmeister Oliver Sturde, der den Übungstag heuer organisiert hat. Gleich nach der Sichtung eines Einsatzortes müsse die Absprache zwischen den Helfern erfolgen, dann würden die Aufgaben verteilt. Die Übungen seien jedes Jahr unterschiedlich und die Feuerwehrler wüssten nie, was genau sie erwarte. "Die sitzen abrufbereit in ihren Fahrzeugen und werden dann mit einem bestimmten Stichwort, zum Beispiel ,Baustellenunfall' angefordert", erläutert Sturde die Vorgehensweise. Vom Ausbildungserfolg her gesehen, seien Übungstage wie der am Samstag optimal. "Aber die Organisation ist sehr aufwendig", gibt er zu bedenken.

Inzwischen ist der tote Fahrradfahrer unter einer Filzdecke geborgen worden, zwei der vier Insassen aus dem Bauwagen konnten über eine Leiter aus dem Fenster klettern. Da die übrigen - laut Szenario - schwer verletzt sind, können sie die Leiter nicht hinaufklettern. Eine Gruppe von Feuerwehrmännern versucht, eine Wand des Bauwagens zu entfernen, um die Verletzten zu befreien: Mit Werkzeug und Fußtritten wird der Wagen geöffnet. Heraus kommen zwei verwirrt wirkende Frauen, beide haben Platzwunden. Schon sind die Rettungskräfte des BRK zur Stelle und begleiten die Verletzten behutsam aus der Sichtweite des Unfallorts. Dort werden sie in golden glänzende Wärmedecken gehüllt, ein Helfer überprüft, welche Verletzungen zu versorgen sind. Auch die Insassen des Autos konnten befreit werden und befinden sich in ärztlicher Betreuung, dazu musste das Dach des Autos abgefräst werden. "Die Fahrzeuge haben wir vom Schrottplatz", verrät Sturde lachend.

Viel Zeit bleibt jetzt nicht: Nach der Besprechung geht es zu nächsten Übungsstelle. Hier stecken die Helfer noch in den Vorbereitungen: Ein Traktorfahrer habe sein Fahrzeug vom Acker auf die Straße fahren wollen, ein Autofahrer auf dieser Straße habe das nicht mehr rechtzeitig gesehen und sei in den Graben unter dem Anhänger geschleudert, erklärt Sturde das geplante Übungsgeschehen. Und: Aus der anderen Fahrtrichtung kommende Fahrzeuge, seien ebenfalls involviert: Eines sei beim Bremsen in den Graben geschleudert worden, das andere stehe in Flammen quer auf der Straße. "Der alte russische Lada darf jedes Jahr einmal brennen", berichtet Sturde. Die Insassen konnten sich laut "Drehbuch" noch aus dem Fahrzeug retten, bevor es Feuer fing. Notarzt Fiedler gibt den fertig geschminkten Helfern die letzten Anweisungen: "Ihr hockt euch jetzt apathisch da auf den Boden und hustet vor euch hin." Sabine Bäcker, die die Verletzten geschminkt hat, überprüft noch rasch ihre Arbeit. "Die Schminke ist wirklich wichtig, dadurch wirken die Unfälle viel realistischer und obwohl die Helfer wissen, dass es nur Schminke ist, gibt ihnen das ein ganz anderes Gefühl", berichtet sie.

Kaum ist die Unfallstelle fertig präpariert, erklingen schon die Sirenen. Die Feuerwehrfahrzeuge stehen gleich vor dem ersten Problem: Die Straße ist durch den brennenden Lada blockiert. Aber auch diese Herausforderung meistern sie, so dass die Unfallstelle zügig geräumt, die Verletzten geborgen und an die Helfer des BRK übergeben werden können. Nun heißt es aufräumen, die Parole lautete hierbei: "Viele Hände, schnelles Ende." Das motivierte die Helfer, denn nach diesem anstrengenden Tag wollten vor allem noch eines: gemütlich zusammen sitzen und ein leckeres Abendessen genießen.

© SZ vom 15.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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