Freisings farbenfrohe Fashion-Week:Strohhut löst Cap ab - oder: Schick ist anderswo

Lesezeit: 3 min

Beim Zamma in Freising hat der Strohhut das Cap als Kopfbedeckung der Herren abgelöst. (Foto: dpa)

Momentaufnahmen vom Zamma-Festivalzeigen, dass die Männer der Damenwelt in Sachen Modebewusstsein ein Stück weit voraus sind.

Von Teresa Gertis, Freising

Der Abend fängt ja gut an: Der vorgegebene Dresscode grün-orange beim "Zammazumba" wird komplett ignoriert. Außer einem männlichen Mittänzer erscheinen alle in bequemer Sportkleidung in fast allen Farben: Aufgekrempelte Leggings, kurze Hosen und Tank-Tops, alles einfarbig, tanzen in den vorderen Reihen mit. Trotz der heißen Temperaturen lässt es die Zumba-Gruppe auf dem Marienplatz richtig krachen. Bei Zumba-Klängen wird auf den Dresscode gepfiffen und trotzdem kann man richtig viel Spaß haben!

Erschöpft vom Zuschauen, beobachte ich die vorbeigehenden Leute und muss mich nach wenigen Minuten fragen: Ist das Modebewusstsein den heißen Temperaturen zum Opfer gefallen? Meine Damen, von euch hätte ich mehr erwartet!

Klar, wir sind nicht auf der Pariser Fashion-Week und es gilt auch ganz bestimmt keinen Catwalk entlang zu stolzieren, aber mehr als kurze Jeans und Top müsste schon drin sein, oder? Wenn wir uns Stars wie Alessandra Ambrosio oder Kendall Jenner anschauen, wie die sich zum altbekannten Coachella-Festival aufhübschen . . .

Doch wir sind in Freising auf den Zamma-Festival und da lautet anscheinend das Motto: "Rausputzen und Aufbrezeln? Nicht mit uns!" Bequemer, lässiger Freizeitlook ist angesagt: Bei den hohen Temperaturen wird luftige Sommermode ausgeführt.

Apropos ausgeführt: Die wenigen gesichteten Vierbeiner sind der Hitze hilflos ausgeliefert. Ein kleiner Dackel hat allerdings nicht nur modisch gesehen die Schnauze vorn: Nach einer Abkühlung in der Moosach trägt er zeitlosen Wet-Look.

Nicht nur der Hund kommt deutlich erfrischt zum Zamma, sondern auch einigen Studis in Badeshorts und mit zusammengerollten Handtüchern auf den Gepäckträgern sieht man den Nachmittag am Weiher an. Deutlich davon unterscheidet sich die arbeitende Bevölkerung. Bei einigen verrät die korrekte Bürokleidung, dass sie direkt nach der Arbeit auf dem Zamma nach Entspannung suchen.

Jetzt aber wollen wir noch ein wenig genauer ins Detail gehen - und fangen, meine lieben Damen, gleich bei dem Wichtigsten an: den Schuhen. (Achtung: jedem männlichen Leser, der jetzt durchhält, winkt nach wenigen Zeilen eine kleine Belohnung!)

Es ist keine Überraschung, dass sich kaum jemand in Pumps gequält hat oder auf zehn Zentimetern hohen Absätzen durch den Abend stöckelt, denn folgende Formel dürfte uns allen bekannt sein: Freisinger Kopfsteinpflaster + High-Heels von Manolo Blahnik oder Jimmy Choo = gebrochener Knöchel.

Stattdessen gibt es jede Menge flaches Schuhwerk zu bestaunen, besonders bevorzugt Flip-Flops oder Riemchensandalen, in denen man mit bunt lackierten Fußnägeln glänzen kann. Farbenfroh sind nicht nur die Zehen, auch beim sonstigen Outfit dominieren eher knallige Farben. Bunt wie das Programm ist das Kleidermotto.

Gerade haben sich meine Augen an den luftigen, legeren Look der Besucher gewöhnt, da sehe ich eine elegante Dame in einer schicken Schwarz-Weiß-Kombination über den Platz schlendern: Weißer Strohhut mit schwarzem Band, weiß gepunktetes Kleid und schwarzes Bolerojäckchen zu schwarzen, angesagten Keilabsätzen. Wow, selbst Vogue-Chefin Anna Wintour wäre begeistert! Freisinger It-Lady oder verirrte Touristin?

So, nun zu den Männern - und ich muss sagen, die haben uns Mädels ganz schön den Rang abgelaufen. Besonders aufgefallen ist mir die neue Kopfbedeckung bei Jung und Alt: Strohhut löst Cap ab. Eine solche Anzahl gewagter Strohhutmodelle macht der Prominenz in Hollywood Konkurrenz. Ich sage nur: schwarzer Hut mit brauner Krempe, naturfarbenes Geflecht, Marke südeuropäischer Landarbeiter und knallroter, klassischer Herrenhut in Übergröße.

Meine Damen haltet euch fest, denn es geht noch weiter: nicht nur "obenrum" sind uns die Männer kopfhoch überlegen, auch bei der Auswahl ihrer Hosen und Hemden trauen sie sich richtig was: von verschiedenen Ringelshirts zu bunten Karohemden ist alles dabei. Sogar eine karierte Bermuda in kräftigen Grüntönen ist zu bestaunen. Männer, Respekt! Ich ziehe meinen fehlenden Hut vor euch. Also meine Damen, da geht noch was, da ist noch viel Luft nach oben. Packt eure Kleidchen und Röcke aus und zeigt den Jungs am letzten Zamma-Wochenende, wo der Hammer, äh, was auf dem Kleiderbügel hängt!

Auf dem Nachhauseweg kommen mir dann noch zwei auffallend gestylte Mittdreißigerinnen entgegen, nach denen ich rund um den Marienplatz vergeblich gesucht hatte: wallende Sommerkleider im Ethnolook, bunte Armreifen und perlenverzierte Sandalen mit kleinem Absatz. Ist das die Trendwende am späten Abend? Egal: strahlende Gesichter, ein breites Grinsen und mit der Sonne um die Wette strahlende Augen haben sie alle, und das kleidet wirklich jeden noch am besten.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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