Freising:Alles äußerst ungewöhnlich

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Stadträte beraten im Asamfoyer, feiern im Rathaus und lernen, dass sie ein politisches Feld sind

Kerstin Vogel

- Das war eine ungewöhnliche letzte Stadtratssitzung am Donnerstagabend: Man hatte sich ausnahmsweise im Asamfoyer versammelt, weil der Sitzungssaal im Rathaus schon für die anschließende Weihnachtsfeier vorbereitet war. Draußen bediente noch immer der holländische Carilloneur Roy Kroezen sein mobiles Glockenspiel, bis auch der letzte Freisinger auf dem Marienplatz ganz genau wusste, wie sich die 19 neuen Glocken im Rathausturm in Zukunft anhören werden. Aus den Fenstern des Asamkomplexes konnten die Stadträte unterdessen beobachten, wie die Glocken Stück um Stück mit einem Kran in die Höhe gezogen wurden, während sich drinnen SPD-Stadtrat Hubert Schwarzer nervös umblickte: Durch die ungewohnte Sitzordnung hatte er plötzlich "die CSU im Nacken", wie er grinsend monierte.

Man könne die Aufstellung der Tische wie in der Schule vielleicht auch als Testlauf sehen, scherzte Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher: Sollte die Stadt Freising in einigen Jahren die 50 000-Einwohner-Marke überspringen, dürfe sie vier Stadträte mehr wählen - und die würden dann ganz sicher nicht mehr an das "Hufeisen" im großen Sitzungssaal passen. Auf jeden Fall aber ist so ein Stadtrat - egal in welcher Größe - ein "politisches Feld", wie der Oberbürgermeister dann noch wissen ließ; ein Umstand, den er kurz zuvor bei einigen Studentinnen auf den Zuschauerplätzen in Erfahrung gebracht hatte: Sie betrieben an diesem Abend offenbar ethnografische Feldforschung im Asamsaal.

Wie das politische Feld des Freisinger Stadtrats im vergangenen Jahr funktioniert hat - nämlich im Großen und Ganzen gut - das hätten die Studentinnen wenig später erfahren können, als das Gremium dann doch in den großen Sitzungssaal des Rathauses umgezogen war. Dort standen die Tische an diesem Abend verwegen schräg im Raum und Oberbürgermeister Eschenbacher zog eine "insgesamt durchweg positive Bilanz über das Jahr". Er erinnerte an die OB-Wahl, den Münchner Bürgerentscheid gegen die dritte Startbahn oder den Baubeginn für das neue Wohngebiet im Steinpark, an die zahlreichen Baustellen, den Bezug des neuen Verwaltungsgebäudes an der Amtsgerichtsgasse und erklärte, dass er seit seinem Amtsantritt im Mai "schon viel erlebt und viel dazu gelernt" habe.

Es sei dem Stadtrat gelungen, "über die Fraktionsgrenzen hinweg gute Politik für Freising zu machen", lobte auch dritter Bürgermeister Benno Zierer das politische Feld. Man habe ein ungewöhnliches, aber auch ungewöhnlich erfolgreiches Jahr hinter sich gebracht, so Zierer weiter - und er hätte an diesem Abend auch gerne zwei Oberbürgermeistern gedankt. Allein Alt-Oberbürgermeister Dieter Thalhammer, der schließlich bis zum 1. Mai Stadtoberhaupt gewesen war und zur Glockenweihe zuvor auch auf dem Marienplatz gesprochen hatte, war zur Weihnachtsfeier des Stadtrats an diesem Abend nicht erschienen. Zierer konnte also nur einen OB loben und an dessen Kompromissbereitschaft in den kommenden Wochen und Monaten appellieren.

Dass Eschenbachers Anstrengungen, sich in das neue Amt des Oberbürgermeisters einzuarbeiten, von den Kollegen im Stadtrat und den Mitarbeitern der Freisinger Stadtverwaltung durchaus anerkannt werden, ließ sich an dem ungewöhnlich lang anhaltenden Applaus ablesen, den Eschenbacher für seine Weihnachtsrede erntete - und daran, dass erstmals die langjährige Vorzimmerdame des Freisinger Oberbürgermeisters, Chefsekretärin Monika Nanko, ans Rednerpult trat und das Wort ergriff. Eschenbacher habe in den vergangenen sieben Monaten "unglaublich viel geleistet, was keiner weiß", sagte sie, bevor sie ganz schnell zurück an ihren Tisch huschte: "Und ich hoffe, das geht so weiter."

© SZ vom 15.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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