Flüchtlingszuweisungen:Zweifel am Zwang

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Hart, aber wirksam nennt Uwe Gerlsbeck aus Kirchdorf das Instrument der Zwangszuweisung. (Foto: Marco Einfeldt)

Fünf Gemeinden im Landkreis Freising haben bis jetzt noch keine Flüchtlinge aufgenommen. Ihnen könnte der Landrat Schutzsuchende zuweisen, doch die Bürgermeister betonen, dass es nicht am Willen mangelt

Von Gudrun Regelein, Landkreis

Derzeit leben etwa 1806 Flüchtlinge in 77 dezentralen Unterkünften im Landkreis Freising. Bis Ende des Jahres dürften es knapp 2700 Menschen sein. Das Landratsamt ist fieberhaft auf der Suche nach passenden Unterkünften - dennoch hofft Landrat Josef Hauner, nicht auf Zwangszuweisungen zurückgreifen zu müssen. Grundsätzlich hält er es allerdings "für richtig, den Landkreisen diese Möglichkeit zu eröffnen". Bekanntlich sollen bayerische Gemeinden künftig zur Aufnahme von Asylbewerbern verpflichtet werden können.

Diese müssten sich dann selber darum kümmern, wo und wie die Flüchtlinge unterkommen - bisher sind alleine die Landratsämter für die Unterbringung zuständig. Für den Präsidenten des Bayerischen Gemeindetags, Uwe Brandl, würde dies einen massiven Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung bedeuten. Man könne Probleme bei der Unterbringung nicht per Zwangszuweisungen lösen, kritisiert er. Die Bürgermeister der Gemeinden im Landkreis Freising, in denen bislang keine Asylbewerber leben, sehen das dagegen eher gelassen.

In fünf Gemeinden - Paunzhausen, Marzling, Kranzberg, Kirchdorf und Zolling - gibt es noch keine Flüchtlingsunterkünfte. In den meisten laufen allerdings die Planungen schon auf Hochtouren, wie Eva Dörpinghaus, Sprecherin des Landratamts, berichtet. "Dem Landrat ist selbstverständlich ein gutes und konstruktives Verhältnis zu allen Bürgermeistern sehr wichtig." Klar sei aber auch, dass jede Gemeinde wissen müsse, dass sie ihren Beitrag leisten muss, "weil wir die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge nur gemeinsam bewältigen können."

Dass in Paunzhausen noch keine Asylbewerber lebten und es derzeit auch keine konkreten Planungen gebe, liege nicht daran, dass die Gemeinde keine Flüchtlinge aufnehmen wolle, betont Bürgermeister Hans Daniel. Im Gegenteil: Eine frei stehende Wohnung, die dem Landratsamt angeboten worden sei, sei mit der Begründung abgelehnt worden, sie sei nicht geeignet, weil zu klein. Eigentlich habe er gedacht, dass in der 100 Quadratmeter großen Wohnung eine Familie leben könnte, erzählt Daniel. "Damit wäre in unserer mit gut 1500 Einwohnern relativ kleinen Gemeinde ein erster Schritt gemacht worden. Berührungsängste und Vorurteile hätten abgebaut werden können."

Die Gemeinde sperre sich nicht gegen Asylbewerber, er habe viel unternommen, habe sogar angeboten, eine Flüchtlingsfamilie selber abzuholen - "aber jetzt kann ich auch nicht mehr helfen", sagt der Bürgermeister. Falls die Gemeinde nun tatsächlich Asylbewerber zwangszugewiesen bekäme, "dann ist es so", sagt Daniel lapidar. Dann werde man die Turnhalle zur Unterkunft umfunktionieren müssen. Auch wenn diese an sieben Tagen in der Woche belegt sei und das nur "auf Kosten unseres Gemeindelebens möglich wäre".

Auch Marzling stehe der Schaffung von Unterkünften positiv gegenüber, betont Bürgermeister Dieter Werner. Bereits seit Juli werde versucht, in zwei leer stehenden Gebäuden der Straßenmeisterei, die im Besitz der Bundesimmobilienagentur sind, Unterkünfte zu schaffen - "aber leider konnte sich das Landratsamt mit der Bundesimmobilienagentur bislang nicht auf einen Mietvertrag einigen", sagt Werner. Zwar fordere das Landratsamt die Gemeinden stets auf, mögliche Unterkünfte zu melden, aber gemeindliche Gebäude gebe es nicht. Die von der Gemeinde gemeldeten Grundstücke, beispielsweise an der Stoibermühle, seien bislang immer abgelehnt worden, berichtet der Bürgermeister. Dank der Privatinitiative eines Schreiners, der seine Halle zur Verfügung stellt und umbauen möchte, werden nun wohl im kommenden März 60 Asylbewerber in der Gemeinde unterkommen können.

"Wenn die Zahl der Asylbewerber bei uns allerdings weiterhin so rasant ansteigt, dann werden wir wohl in die Situation kommen, wo dem Landratsamt gar nichts anderes als eine Zwangszuweisung übrig bleibt", meint Werner. Jede Gemeinde werde betroffen sein - er mache sich da keine Illusionen. "Uns würde das natürlich weh tun, aber eine Unterstützung bei einem der derzeit wichtigsten Themen ist von uns natürlich da."

Ob die Zwangszuweisung tatsächlich der richtige Weg ist, bezweifelt Klaus Burgstaller, der Geschäftsstellenleiter der Gemeinde Kranzberg, allerdings. Weder den Kommunen noch den Bürgern wäre damit geholfen: "Ob es in Bezug auf die Akzeptanz von Flüchtlingen der richtige Weg ist, stelle ich in Frage." Aber er verstehe auch die Zwangslage des Landratsamtes, dem eine ständig wachsende Zahl an Flüchtlingen zugewiesen werde. "Im Landkreis gibt es aber wohl keine Kommune, die sich einer Aufnahme verweigern wird", sagt Burgstaller. In Kranzberg wurde bereits eine geeignete Fläche nahe des Kranzberger Sees gefunden, die Planungen für eine Unterkunft würden laufen.

Eine Zwangszuweisung wäre für ihn zwar ein "relativ harter Weg", sagt Kirchdorfs Bürgermeister Uwe Gerlsbeck. "Aber wenn sich eine Gemeinde wegduckt, vielleicht ein wirksames Instrument." Jede Kommune im Landkreis sei aber offenbar bereit, ihr Scherflein beizutragen. Auch in Kirchdorf werden im Januar die ersten Container eintreffen, in Kürze werden dort gut 40 Flüchtlinge unterkommen.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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