Erfahrene Bodenkundlerin:Einblick in komplexe Systeme

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Professorin Ingrid Kögel-Knabner hat seit 1995 den Lehrstuhl für Bodenkunde an der TU München inne. (Foto: Schmidt)

Professorin Ingrid Kögel-Knabner befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Böden

Von Katharina Aurich, Freising

Immer wieder sind in den vergangenen Monaten sintflutartige Regenfälle auf Niederbayern niedergegangen und haben starke Erosionen besonders auf landwirtschaftlichen Flächen ausgelöst. Die Ursachen für den Verlust an fruchtbarem Oberboden seien jedoch vielfältig, es gebe keine einfachen Erklärungen für die Abschwemmungen, betont die erfahrene Bodenkundlerin Ingrid Kögel-Knabner. "Das sind dort sehr gute, ertragreiche Böden und komplexe Systeme, es gibt nicht nur eine Ursache für Erosion" - zumal man inzwischen wisse, dass auch "ungünstige wasserbauliche Gegebenheiten" eine wesentliche Rolle gespielt hätten.

Die Wissenschaftlerin hat seit 1995 den Lehrstuhl für Bodenkunde an der TU München am Wissenschaftszentrum Weihenstephan inne. Bereits in den 80er Jahren begann sie ihre Karriere als international renommierte Fachfrau für Bodenschutz. Zur Situation in Niederbayern sagt sie, dass der Boden unter Mais, der dort großflächig angebaut werde, viele Wochen im Jahr kaum von Blattmasse bedeckt sei. Wenn ein Extremereignis wie Starkregen niedergehe, halte nichts mehr den Oberboden.

Das sei nicht überraschend, sagt Kögel-Knabner. Den Einwand, dass man mit Grünlandnutzung den Boden besser vor Erosion schützen könnte, lässt sie nicht gelten. Man könne Landwirten nicht guten Gewissens empfehlen, auf Grünland für ihre Milchkühe zu setzen. Denn an der Milch verdiene im Moment niemand und Bauern müssten wirtschaftlich denken, so die Professorin. Wie die Böden bewirtschaftet würden, sei ein gesellschaftliches Thema, betont Kögel-Knabner - und es müsse dringend diskutiert werden, wie man die Bodennutzung an die Veränderungen durch den Klimawandel anpassen könne, so dass fruchtbarer Oberboden nicht mehr weggeschwemmt werde.

Das eigentliche Thema der Bodenkundlerin ist aber nicht die Agrarpolitik, sondern sie erforscht seit 21 Jahren, wie Böden organische Substanz und damit Kohlenstoff binden, umsetzen und ausstoßen. Die Art, wie ein Boden bewirtschaftet werde, habe Einfluss darauf, wie viel Kohlenstoff in die Luft gelange. Dieser wiederum wirke sich auf das globale Klima aus, erläutert sie die Zusammenhänge. Ausgangspunkt jeden Bodens sei Gestein, Minerale, die verwittern. Sie verbinden sich mit der organischen Substanz, die durch abgestorbene Pflanzenteile in den Boden gelangt. Wenn der Boden gut strukturiert sei, könne er viel Wasser speichern und Kohlenstoff binden. Voraussetzung dafür sei jedoch eine regelmäßige Zufuhr an organischer Substanz, erläutert die Wissenschaftlerin. Böden verarmten, wenn man ihnen nach der Ernte alle Pflanzenreste entziehe.

Wie viel organische Substanz ein Boden für eine gute, nachhaltige Funktionsfähigkeit benötige, hänge vom Standort ab. Um darüber exakte Aussagen treffen zu können, müsse man die genaue Zusammensetzung eines Bodens kennen, dies sei mit bloßem Auge nicht erkennbar. Dafür werden im Labor Bodenproben in Harz gegossen und dann in dünne Schichten geschnitten, glatt poliert und im Vakuum mit Ionen beschossen. Die einzelnen Bestandteile der Bodenprobe werden gesammelt und ein Bild der räumlichen Verteilung verschiedener Substanzen erzeugt. "Wir sehen mit dieser Methode Dinge, die wir vorher nicht sahen oder wussten", sagt Kögel-Knabner begeistert. Vor allem erfahren die Forscher, wie viel Kohlenstoff Böden speichern können und wie sich veränderte Temperaturen im Zuge des Klimawandels auf das Speichervermögen auswirkten.

Die Professorin erforscht im Projekt "Bonares" anhand von Grünlandböden in den Alpen, wie die Bewirtschaftung und steigende Temperaturen die Stabilität und Fruchtbarkeit veränderten. Diese Vorgänge werden im Moment noch im Labor simuliert, in ein paar Jahren sind sie aber wohl Realität. Darauf wollen die Wissenschaftler vorbereitet sein und den Landwirten Handlungsanweisungen geben können - zum Beispiel, ob die Wiesen dann einmal oder dreimal jährlich gemäht werden sollten, ohne sie auszulaugen oder die Artenzusammensetzung zu verringern.

In ihren Vorlesungen legt die Bodenkundlerin großen Wert darauf, ihren Studierenden Verständnis für Prozesse in Böden zu vermitteln. Natürlich gehörten dazu auch Grundlagen, wie die Funktionsweise von Mikroorganismen und der Aufbau von Böden, aber sie wolle nicht Wissen in Studenten "hinein pumpen", sondern junge Menschen befähigen, komplexe Systeme zu verstehen. Im Hörsaal, im Labor und im Gelände vermittle sie das Handwerkszeug, Böden weltweit analysieren und bewerten zu können, um für die drängenden Probleme unserer Zeit Lösungen zu finden.

© SZ vom 07.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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