Einsatz für die Artenvielfalt:Insekten lieben den Verhau

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In den wuchernden Blumenbeeten vor der Echinger Volkshochschule tummeln sich Schmetterlinge und Käfer. SZ sucht Nachahmer

Von Alexandra Vettori, Freising

"Artenvielfalt kann jeder", unter diesem Motto stellt die SZ in den nächsten Wochen Menschen vor, die es nicht beim Klagen und Schimpfen belassen, sondern aktiv werden. Im eigenen Garten, auf dem Balkon, am Haus schaffen sie kleine Inseln, in denen Insekten, Vögel und Kleingetier Lebensraum finden.

Ulrike Brandstetter ist die stellvertretende Leiterin der Echinger Volkshochschule und sie blickt lächelnd auf das wuchernde Blumenbeet vor ihrem Arbeitsplatz. "Alles blüht, die Bienenweide, die Sonnenblumen, die sind teilweise schon zwei Meter hoch." Genau so hat sie sich die Aktion vorgestellt, als sie im Frühling öffentlich zum Pflanztermin eingeladen hatte. Unter dem Stichwort "Urban Gardening" wollte die Volkshochschule mit interessierten Echingern selbst Hand anlegen und aus den unansehnlichen Pflanztrögen ein blühendes Kleinod machen, für die Menschen als Seelenschmaus und für die darbende Insektenwelt als Nahrungs- und Unterschlupfinsel.

Der Plan ging auf. So sehr, dass Ulrike Brandstetter immer wieder Worte des Unmuts durch das offene Bürofenster hört: "Verhau", "bisserl viel Unkraut", so in etwa klingen die Urteile manch eines Passanten. Als sie sich aber mit der Gartenschere an die ordnende Arbeit machen wollte, bemerkte Brandstetter, "dass genau an dem 'greisligen Zeug' die meisten Schmetterlinge und Marienkäfer waren, die wiederum ja unsere Blattläuse fressen. Und so habe ich meine Hand wieder sinken lassen und bin zurück ins Büro." Ulrike Brandstetter muss jetzt noch lachen, "das war meine Lektion: Die Natur, die Käfer und Insekten, die wollen es nicht schön. Und deshalb wollen wir es hier auch nicht schön im herkömmlichen Sinne, sondern schön für die Insekten."

Glücklicherweise geht Ulrike Brandstetter da konform mit ihren fünf Mitgartlern. Wobei - so genau weiß sie um die Zahl derer, die in den Beeten vor dem Volkshochschulgebäude Hand anlegen, gar nicht. "Vielleicht gibt es eine Dunkelziffer", mutmaßt sie, immerhin war irgendwann plötzlich Mangold in der Erde. "Den hat anscheinend jemand da gepflanzt." Genau so, beteuert sie, habe sie sich das Projekt vorgestellt, jeder macht, wozu er Lust hat, einfach drauf los, ohne Absprache, ohne Anmeldung.

Natürlich sind sich die Gartler irgendwann in die Quere gekommen, man entschied sich dann, Stöckchen in die Erde zu stecken, wo man gepflanzt hatte, damit es keine Überschneidungen gibt. Mittlerweile ist der Mangold prächtig und auch der Kohlrabi steht schon kniehoch. Mit dem Ernten halten sich die Passanten zurück. "Die einzigen, die hier fleißig ernten, sind die Bienchen", so Brandstetter. Dabei gehört auch das zum Urban Gardening: Wer vorbei kommt, darf sich was pflücken. Und damit die neuen tierischen Nachbarn auch im Winter nicht darben, haben die Gartler neben dem Haus noch einen Totholzhaufen aufgeschichtet, er soll als Winterquartier für Igel und Insekten dienen, wenn es im Garten nichts mehr zu fressen gibt.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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