Ein Job, bei dem einfach alles schief läuft:Lasterfahrer will ausstehenden Lohn eintreiben

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Weil sich ein 56-Jähriger für Selbstjustiz entscheidet, verurteilt ihn das Amtsgericht. Jetzt muss er 500 Euro zahlen

Von Alexander Kappen, Freising

Irgendwie lief bei diesem Job für ihn alles schief. Erst bekam der 56-jährige Lastwagenfahrer aus Gersthofen bei Augsburg seinen Lohn nicht, als er im März dieses Jahres im Kreis Freising eine Stelle beim Subunternehmer eines Spediteurs angenommen hatte - und jetzt musste er sich auch noch vor Gericht verantworten, weil er die Sache auf nicht legale Art selbst in die Hand genommen hat. Der Lastwagenfahrer hatte die Lieferscheine einbehalten und wollte sie seinem Arbeitgeber nur gegen Auszahlung seines Lohns zurückgeben. Damit handelte er sich einen Strafbefehl wegen Erpressung ein, gegen den er allerdings Einspruch einlegte. Bei der Verhandlung am Freisinger Amtsgericht wurde das Verfahren jetzt gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 500 Euro eingestellt.

Der Angeklagte, der sich am Montag in der Verhandlung am Freisinger Amtsgericht selbst verteidigte, erzählte Richterin Tanja Weihönig freimütig, wie die ganze Sache aus seiner Sicht gelaufen ist. Demnach traf er sich nach einer mehrmonatigen Arbeitslosigkeit Anfang März in Freising mit dem genannten Speditions-Subunternehmer, um über eine Anstellung zu sprechen. "Ich wollte für den Job als Fernfahrer 2500 Euro brutto im Monat haben, aber er hat gesagt, er kann nicht so viel zahlen", berichtete der 56-Jährige. Und dann einigten die beiden sich auf folgendes Lohnmodell: Der Unternehmer "wollte nur 2000 Euro brutto bezahlen", so der Angeklagte, "den Rest wollte er schwarz bezahlen, so dass ich insgesamt im Schnitt auf 100 Euro am Tag komme, bei 22 Arbeitstagen also auf 2200 Euro im Monat."

Er habe dann einen Vertrag - über offiziell 2000 Euro brutto im Monat - unterschrieben und am 14. März seine Arbeit aufgenommen. Über den Auszahlungszeitpunkt für den Lohn sei nichts Konkretes vereinbart worden, sagte der 56-Jährige, "aber üblicherweise kommt das Geld in der ersten Woche des nächsten Monats". Als das Geld Anfang April nicht da gewesen sei, habe er sich mit seinem Arbeitgeber in Verbindung gesetzt: "Er hat gesagt, dass das Geld schon überwiesen worden ist und sein Sohn sich darum kümmert." Als er sein Konto überprüft habe, sei jedoch nichts drauf gewesen. Nach den Erzählungen des Angeklagten ging das ein paar Mal so hin und her. Am 13. April kündigte er dann zum Monatsende. Bei einem Treffen mit dem Fuhrparkleiter des Unternehmens wiederum sprach dieser dem Lastwagenfahrer am 15. April die fristlose Kündigung aus.

Und dann sah sich der Gersthofener dazu verlasst, etwas Druck zu machen. Er behielt die Lieferscheine der vergangenen acht Tage und schickte sie aus der Nähe von Freising per Post an seine eigene Heimatadresse. Das sei eine Art Schutzmaßnahme gewesen, um an sein Geld zu kommen, schließlich habe der Arbeitgeber ihm - inklusive Wochenenddienste - etwa 2500 Euro geschuldet. Er wollte die Lieferscheine so zu sagen als Pfand behalten, bis der Lohn überwiesen ist. Dem Angeklagten war klar, dass sein Arbeitgeber ohne die Lieferscheine nicht mit seinem übergeordneten Spediteur abrechnen konnte und dass ihm dadurch 5000 bis 6000 Euro entgingen. Darüber, dass dieser Betrag die Lohnschulden bei Weitem überstieg, machte sich der Lastwagenfahrer keine großen Gedanken: "Ich habe nicht nachgerechnet sondern einfach den Packen Lieferscheine von einer Woche behalten." Er habe in Gesprächen mit Kollegen mal gehört, "dass man das so machen darf, wenn man seinen Lohn nicht bekommt". Er habe sich nicht anders zu helfen gewusst, schließlich sei er wegen der vorhergehenden Arbeitslosigkeit "total abgebrannt" gewesen. Der Arbeitgeber verständigte jedenfalls die Polizei, die die Lieferscheine in der Wohnung des Angeklagten sicherstellte.

Der Arbeitgeber tauchte zur Verhandlung in Freising trotz Ladung nicht auf. "Und das Vertragsverhältnis war sicher auch nicht okay", sagte die Richterin: "Aber in so einem Fall geht man in Deutschland zu einem Anwalt, um sich Rat zu holen und greift nicht einfach zur Selbstjustiz." Auch der Staatsanwalt meinte, das Vorgehen des Angeklagten sei "grundsätzlich eine Straftat". Aber es handele sich nicht um eine versuchte Erpressung, sondern lediglich eine versuchte Nötigung. Und da der Arbeitgeber, wie dessen Abwesenheit zeige, ohnehin keine Interesse zeige und der Angeklagte geständig und nicht vorbestraft sei, beantragte er, das Verfahren gegen eine Auflage von 500 Euro einzustellen. Diese Summe muss der 56-Jährige, der mittlerweile einen neuen Job bei einer Firma in Buchloe hat, nun auf Beschluss der Richterin in fünf Raten zu je 100 Euro Raten an eine soziale Organisation überweisen.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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