Flughafen München:Mitarbeiter nahm Kokain entgegen

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Der Staatsanwalt geht von einem Straßenverkaufswert "von locker 50 000 Euro" aus. (Foto: dpa)

Die Drogen gelangten von São Paolo über das Erdinger Moos nach London: Ein Flughafenmitarbeiter half dabei, weil er nach England auswandern wollte. Als er keine Ware mehr annahm, flog er auf.

Von Alexander Kappen, Landshut/Flughafen

Es ist ein Fall wie so viele andere im Drogengeschäft. "Meistens werden nur die kleinen Kuriere, die armen Teufel, erwischt", sagt Verteidiger Jörg Kaiser. Auch sein Mandant, der sich an diesem Tag vor dem Landshuter Landgericht wegen der Einfuhr von 836 Gramm Kokain und der Beihilfe zum Drogenhandel verantworten muss, ist einer dieser armen Teufel. Allerdings könnte es in diesem Fall ausnahmsweise sein, dass der Hintermann, "der in der Szene alles andere als ein kleiner Fisch ist, auch geschnappt werden kann", betont der Verteidiger. Sein Mandant - ein heute 45-jähriger, ehemaliger Mitarbeiter des Münchner Flughafens, mit dessen Hilfe das besagte Kokain im Mai 2012 von São Paolo über das Erdinger Moos nach London gebracht wurde - hat die Behörden mit seinen Hinweisen nämlich auf die Spur des Drahtziehers gebracht.

Das sieht auch das Gericht unter Vorsitz von Ralph Reiter so. Es folgt dem Antrag des Verteidigers und verurteilt den Angeklagten zu drei Jahren Gefängnis. Damit bleibt die Kammer ein halbes Jahr unter der Forderung des Staatsanwalts.

Seinen Auftraggeber lernte er in Italien kennen, der Kontakt verlief über Facebook

Der Angeklagte war nach seiner Verhaftung von Anfang an geständig und kooperierte mit der Polizei. Er brachte die Ermittler auf die Spur seines in England lebenden Auftraggebers, den er im Jahr 2004 bei einem Italienaufenthalt kennengelernt hatte. Einige Jahre später hatten die beiden wieder via Facebook Kontakt. Der Auftraggeber sah auf dem Profil des Angeklagten, dass er am Münchner Flughafen beschäftigt war, und wollte ihn deshalb für seinen Drogenschmuggel anwerben und die Zollkontrollen umgehen. Der Angeklagte ließ sich darauf ein, weil er nach England übersiedeln wollte und sich dabei Unterstützung von seinem Bekannten erhoffte.

Am 22. Mai 2012 kam ein inzwischen ebenfalls verurteilter Drogenkurier mit einer Maschine aus São Paolo in München an. Der Angeklagte, der dort im Sicherheitsbereich an der Gepäckabfertigung arbeite und direkten Zugang bis zum Flugzeug hatte, nahm dem Kurier wie vereinbart beim Aussteigen den Rucksack mit den Drogen ab und deponierte ihn in seinem Spind am Airport. "Eigentlich hätte ich ihn mit nach Hause nehmen sollen, aber das wollte ich nicht", erzählt der 45-Jährige, der Agrarwissenschaften studiert aber nie in diesem Beruf gearbeitet hat, den Richtern. Der Kurier flog nach London weiter, kehrte am nächsten Tag nach München zurück und bekam vom Angeklagten den Rucksack in einer Flughafentoilette ausgehändigt. Für seine Dienste bekam er 2000 englische Pfund.

Den Rucksack voll Drogen nahm der Angeklagte nicht an

Als ihn der Auftraggeber ein weiteres Mal für einen Jobengagieren wollte, lehnte der Angeklagte, der früher in Eching und Landshut gelebt hat und im November 2012 schließlich nach England gezogen ist, ab: "Ich habe gesagt, dass mein Flughafenausweis gesperrt ist." Als ein anderer Kurier abermals mit einem Rucksack voll Drogen in München landete, nahm der Angeklagte diesen nicht an. Der Kurier musste durch die Zollkontrolle und wurde erwischt. Über ihn kamen die Behörden schließlich auch dem ebenfalls schon verurteilten ersten Kurier und dem Angeklagten auf die Schliche. "Dadurch, dass mein Mandant beim zweiten Mal nicht mehr mitgemacht hat, ist die Ermittlungskette erst ins Rollen gekommen", argumentiert der Verteidiger. Zu Gunsten des Angeklagten führt er außerdem ins Feld, dass das Kokain offenbar von minderer Qualität war und nur schlecht verkauft werden konnte, wie einer der Kuriere ausgesagt hatte. Der Staatsanwalt dagegen spricht von einem Straßenverkaufswert "von locker 50 000 Euro".

Nachdem er der Polizei den Namen seines Auftraggebers genannt hat, übergibt der nicht vorbestrafte Angeklagte bei der Verhandlung auch dessen Telefonnummer und verspricht, über einen Bekannten die Adresse ausfindig machen zu wollen. Dass der Hintermann noch nicht dingfest gemacht wurde, liegt nach Einschätzung von Staatsanwalt und Gericht an den englischen Behörden, die trotz eines Hilfegesuchs noch nicht einmal Lichtbilder des offenbar Aktenkundigen zum Abgleich übermittelt hätten. "Dafür kann der Angeklagte also nichts", sagt der Vorsitzende Richter. Er rechnet dem 45-jährigen positiv an, "dass er Aufklärungshilfe geleistet und konkrete Angaben gemacht hat". Allerdings müsse man ihm anlasten, "dass er seine Vertrauensstelle im Sicherheitsbereich des Flughafens ausgenutzt hat".

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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