Die Grenzen der Freisinger Tafel:"Wir können nur unterstützen, nicht vollversorgen"

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Der neue Tafel-Vorsitzende Peter Bach (rechts) und sein Vorgänger, Eberhard Graßmann, in der Zentrale der Freisinger Tafel. (Foto: Joerg Koch)

Bis zu 250 Bedürftige kommen jede Woche zur Tafel in Freising. Darunter sind viele Familien und immer mehr Rentner. Die ehrenamtlichen Helfer stoßen an ihre Grenzen - auch bei der Lebensmittelbeschaffung.

Von Gudrun Regelein, Freising

Die Paletten mit Gemüse, Obst, Salat und Semmeln stapeln sich an diesem späten Dienstagvormittag hoch vor der Eingangstür der Tafel Freising, die sich in der Kammergasse in Freising befindet. Gerade kommt eine Lieferung mit Milchprodukten, darunter Sahnejoghurt und Fruchtbuttermilch. "Da werden sich unsere Kunden morgen freuen, das mögen sie besonders gerne", sagt Eberhard Graßmann. Der langjährige Tafel-Vorsitzende und sein Nachfolger Peter Bach sind - wie jede Woche - zum Helfen gekommen. Für das Gespräch mit der Freisinger SZ machen die beiden eine kurze Pause - in dieser Zeit laufen die Vorbereitungen für die Ausgabe auf Hochtouren weiter.

SZ: Wann sind Sie heute zum Arbeiten gekommen?

Eberhard Graßmann: Am Dienstag fangen wir um sieben Uhr morgens an, normalerweise sind wir dann gegen 12 Uhr fertig. Heute dauert es länger, wir haben die doppelte Menge an Gemüse und Obst bekommen. Und das muss ja vor der Ausgabe an die Kunden alles noch aussortiert und geputzt werden.

Wie viele Kunden erwarten Sie morgen?

Eberhard Graßmann: Normalerweise kommen bis zu 250 Berechtigte jede Woche zu uns: Viele Familien, aber auch Einzelpersonen.

Haben Sie vor neun Jahren, als die Tafel eröffnet wurde, mit einer so großen Nachfrage gerechnet?

Eberhard Graßmann: Ehrlich gesagt nein. Am ersten Tafel-Tag kamen 26 Besucher. Bis vor zwei Jahren waren es dann durchschnittlich 170 bis 180 Kunden, das hat sich dann noch einmal sprunghaft erhöht. Mittlerweile zählen auch viele Migranten und Flüchtlinge zu unseren Kunden.

Herr Bach, Sie sagten kürzlich: "Die Leute werden immer mehr, die Ware wird knapper". Gibt es manchmal Engpässe?

Peter Bach: So war die Situation im ersten Quartal. Mittlerweile aber hat sich die Besucherzahl stabilisiert und die Ware ist nicht um so viel weniger geworden, wie wir nach der Ankündigung verschiedener Spender befürchtet hatten. In den vergangenen fünf Wochen hat sich das eingependelt, wir haben derzeit genügend Ware.

Die Tafel bekam 2014 etwa 120 Tonnen Ware von rund 50 Sponsoren - das sind imposante Zahlen. Aber wird das auch langfristig ausreichen?

Peter Bach: Wir werden im Landkreis vermutlich nicht noch mehr Unterstützer finden. Wenn die Kundenzahlen weiterhin so wachsen, dann werden wir über die Jahre hinweg gesehen Probleme bekommen. Unser Grundsatz ist aber nicht die Vollversorgung, die Tafel kann nur unterstützen. Wir geben das weiter, was wir haben.

Eberhard Graßmann: Allerdings haben wir auch die Möglichkeit, mit zweckgebundenen Spenden notfalls etwas zukaufen zu können.

Das bedeutet aber, dass auch im eigentlich wohlhabenden Landkreis die Armut ein immer größeres Thema ist?

Peter Bach: Absolut. Wir erwarten zunehmend mehr Rentner als Kunden. Die Minirenten-Bezieher werden zukünftig bei uns sicher noch mehr werden. Und damit haben wir ein weiteres Problem: Denn viele dieser Kunden werden immer älter und können nicht mehr zur Tafel kommen. Derzeit beliefern wir schon etwa 20 Haushalte. Wir stoßen da allmählich an die Grenzen unserer Transportmöglichkeiten und bräuchten Unterstützung von anderen sozialen Organisationen.

Herr Bach, Sie haben lange überlegt, ob Sie den Vorsitz übernehmen wollen. Weshalb haben Sie sich letztendlich dafür entschieden?

Peter Bach: Einer muss es ja machen. Und wenn der Vorsitzende, der die Arbeit in den vergangenen neun Jahren gemacht hat, sagt, er will gehen, dann muss man ihn gehen lassen.

Eberhard Graßmann: Ich wurde degradiert - und bin nun nur noch ein einfacher Arbeiter (lacht).

Peter Bach: Er stapelt da jetzt ein bisschen tief...

Sie sagten aber auch, Sie hätten keine leichte Aufgabe übernommen.

Peter Bach: Die Zeitinvestition ist tatsächlich enorm - natürlich gerade auch in der Einarbeitungsphase. Aber solange mir noch die Zeit für meine privaten Interessen bleibt, ist das in Ordnung.

Die Tafel ist in Freising offensichtlich gut verankert, alles scheint reibungslos zu funktionieren. Dennoch: Gibt es auch Punkte, wo Sie etwas verändern möchten?

Peter Bach: An den Abläufen kann und möchte ich nicht viel verändern. Aber es gibt zwei Dinge, die mir vorschweben: Zum einen würde ich gerne die EDV-Technik als Hilfsmittel im verstärkten Maße einsetzen, zum andern ist mein Ziel, bei uns mehr Barrierefreiheit umzusetzen. Bei uns geht es eng zu und für Rollstuhlfahrer oder Gehbehinderte ist das ein echtes Problem. Diesen Personen möchte ich noch mehr als bisher entgegenkommen können.

Erleben Sie Ihre Kunden eigentlich manchmal auch als schwieriges Klientel?

Eberhard Graßmann: Es gibt ein paar, die übertriebene Ansprüche stellen. In all den Jahren habe ich aber nur ein- oder zweimal Differenzen gehabt. Die meisten sind sehr freundlich und sehr dankbar. Das gilt übrigens gerade auch für die Asylbewerber.

Die Tafel lebt vom Ehrenamt. Wird das in Ihren Augen nicht überstrapaziert?

Eberhard Graßmann: Ja, natürlich lebt der Staat auf Kosten der Ehrenamtlichen. Das ist aber nicht nur bei der Tafel so, sondern bei vielen anderen Organisationen im Landkreis. Bei uns im Verein gibt es etwa 54 Mitglieder, die aktiv sind und im Jahr über 2100 mehrstündige Einsätze leisten. Das ist schon enorm.

Ganz ehrlich: Sind Sie manchmal erleichtert, dass Sie nun nicht mehr Vorsitzender sind?

Eberhard Graßmann: Ja, das bin ich. Aber ehrlich gesagt, wird es mir manchmal zu Hause schon etwas langweilig - aber ich bin ja jede Woche zum Helfen hier (lacht).

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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