Der Tourist wundert sich:Rot und Weiß

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Seit wann und warum sich die Farbgebung der Freisinger Straßenschilder von denen anderer Städte unterscheidet, ist unklar

Von Tobias Wagenhäuser, Freising

Warum eigentlich hat Freising rot-weiße Straßen- und Hausnummernschilder? Das fragt sich sicher so mancher Fußgänger der offenen Auges durch Freising schlendert. Schließlich kennt man aus fast allen anderen Städten die übliche weiße Schrift auf blauem oder schwarzem Grund. Die Geschichte dieser Freisinger Eigenheit reicht Jahrhunderte zurück und ist noch immer nicht ganz geklärt.

Zugegeben, Freising ist mit seinen rot-weißen Schilder nicht ganz allein. Auch in Dachau, Erfurt und Mainz bringt diese Besonderheit Touristen ins Grübeln. Darf ich hier etwa nicht mit dem Auto fahren? In der Heimat des Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05, mit seinen rot-weißen Vereinsfarben, kommen Fans womöglich auf andere Erklärungsversuche. Tatsächlich aber sollen die Farben in Mainz bereits seit 1853 zur besseren Orientierung dienen. Straßen die zum Rhein hin führen, tragen einen roten, Straßen, die parallel zum Fluss verlaufen, hingegen einen blauen Hintergrund. Ob das Ortsfremden und Anwohnern wirklich bei der Orientierung hilft, sei dahingestellt.

In Freising hat die Farbwahl wohl eher patriotische Gründe. So steht es auch auf der Website der Stadt, welche die Farbwahl mit den Stadtfarben Weiß und Rot begründet. Diese wiederum gehen auf den Bär im Wappen zurück, der dem Stadtheiligen Korbinian - so die Legende - ein rotes Bündel mit weißen Schnüren über die Alpen trug. Florian Notter, Leiter des Stadtarchivs Freising, geht davon aus, dass die roten Schilder mit weißer Schrift um 1938 eingeführt wurden. Ganz sicher sei man sich aber nicht, schließlich wurden die Stadtratsprotokolle der NS-Zeit vollständig vernichtet. Auch Recherchen in den alten Ausgaben des Freisinger Tagblatts von 1938 bis 1939 liefern keine Hinweise.

Notter vermutet, dass - aus praktischen Gründen - die Einführung der neuen Schilder mit der Reform der Hausnummern zusammenfiel. Und die geschah wohl bis Ende der Dreißigerjahre. Nach Kriegsausbruch im September 1939 hätten die Menschen dann anderes im Kopf gehabt.

Beim Versuch einer näheren Bestimmung des Zeitpunkts landet man somit bei der Geschichte der Hausnummern in Freising. Auch die hält einige Überraschungen bereit. 1803 wurden die ersten Häuser der Domstadt nummeriert. Das war keineswegs spät, denn auch in Paris, Wien und Berlin setzte sich die Häusernummerierung erst Ende des 18. Jahrhunderts durch. Damit ein Brief ankam, gab man zuvor neben Straßen- und Empfängernamen auch den des Hauseigentümers mit an.

Wie andernorts, wurden auch in Freising 1803 Häuser einfach "durchgezählt". Man orientierte sich zwar grob an den Stadtvierteln, doch begann die Nummerierung bei diesem System der "Konskriptionsnummern" nicht wie heute in jeder Straße neu. Das führte dazu, dass Hausnummern in unbegrenzte Höhen schossen. Das wohl berühmteste Beispiel dafür ist die Hausnummer 4711 einer gewissen Kölner Firma, die ebendort ihr "Kölnisch Wasser" vertrieb.

Auch in Freising erreichte man hohe Zahlen, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts durch Neu- und Ausbauten immer wieder änderten. So hatte der Wirt Sebastian Wachinger am Sondermüllerweg anfangs noch die Hausnummer 468, später 548, dann plötzlich 658 und einige Jahre später schließlich 977. Genutzt wurde dieses System mindestens bis 1935, wie aus einem Adressverzeichnis des Stadtarchivs hervorgeht. Wie und wann genau es im Rathaus letztendlich zur Einführung der neuen Hausnummern und Straßenschilder kam, wird wohl noch länger ein Geheimnis bleiben.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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