Der Fifa-Skandal:Zu viel Geld im Spiel

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Bei so manchem kleinen Fußballverein ist das Geld knapp und bei der Fifa werden Millionen verschleudert. (Foto: Alexandra Schellnegger)

Auch Spieler und Funktionäre der kleinen Fußballvereine im Landkreis Freising verfolgen den Skandal rund um die Fifa. Den Rücktritt von Joseph Blatter halten sie für überfällig und hoffen auf einen Nachfolger, der aufräumt

Von Isabella Lössl, Freising

Der Skandal rund um die Fifa beschäftigt im Moment Fußballbegeisterte in aller Welt. Den Rücktritt des Präsidenten der Federation Internationale de Football Association forderte man seit Jahren vergeblich, obwohl es genug Indizien gab, die es gerechtfertigt hätten, Blatter die Rote Karte zu zeigen. Am Dienstag dann der Paukenschlag: Sepp Blatter kündigte seinen Rücktritt vom Amt des Fifa-Präsidenten an. Kaum einer hatte es für möglich gehalten, doch sehen fast alle diesen Schritt positiv. Auch die Fußballwelt im Landkreis begrüßt das Abtreten. "Höchste Zeit", sagte dazu Eberhard Schmidt, 2. Vorsitzender des FC Wang. "Der Rücktritt war überfällig, der aus den Vorgängen bei der Fifa resultierende Schritt wurde zu spät, aber zum Glück doch noch eingeleitet". Auch Georg Appel, Abteilungsleiter der Fußballer des SE Freising, sieht das Regime Blatter kritisch: "Alle Fußballvereine leben mehr oder weniger im organisierten Verbrechen, da wir quasi alle der Fifa unterstehen. Ohne die Verhaftungen, die von den Amerikanern initiiert waren, hätte sich wieder kaum einer getraut, den Mund aufzumachen", sagte er kurz vor Blatters Rücktritt. Er fordert außerdem eine andere Haltung des DFB, der sich seiner Meinung nach in Person von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und Liga-Präsident Reinhard Rauball zu sehr zurückhalte. Der englische Verband verhalte sich dagegen richtig und versuche, Druck aufzubauen. "Darin liegt auch ein grundsätzliches Problem der Uefa. Man ist sich nicht einig, egal, ob es die Wahl war, oder andere Entscheidungen anstehen. Russland macht sein eigenes Ding, die Schweiz hält sich raus. Man muss an einem Strang ziehen", forderte Appel.

Die Kritik an Blatter wurde auch wegen der umstrittenen WM-Vergaben an Russland im Jahr 2018 und den Wüstenstaat Katar im Jahr 2022 immer lauter. Unter seiner Führung bekamen mit diesen beiden Ländern die falschen die Endrunden, so die einheitliche Meinung vieler Experten. Zwar beteuert Blatter, nicht für Katar gestimmt zu haben, aber stattfinden wird das Turnier dort trotzdem. "Diese Entscheidung ist absolut nicht zu verstehen", findet Sandra Bauer (21), die ein E-Jugend Team des TSV Moosburg trainiert. "Es müssen extra Stadien gebaut werden, die Temperaturen sind zu hoch und die Arbeitsbedingungen sind dort unmenschlich". Auch Georg Appel ist gegen diese WM. "Es gibt genug Beweise, dass die Vergabe unsauber ablief. Sollen wir im Winter ein Public Viewing veranstalten? Eine WM gehört in den Sommer. Wenn das an einem Ort nicht möglich ist, vergebe ich das Turnier eben an jemand anderen". Bei all der Kritik an der WM 2022 würde Eberhard Schmidt die Vergabe aber nicht rückgängig machen. "Entschieden ist entschieden. Vielleicht ist es ja einmal etwas anderes". Appel hingegen würde einer Neuvergabe sehr positiv gegenüber stehen. "Was nicht sauber entschieden wird, sollte auch nicht stattfinden". Weiterhin ist Appel der Meinung, dass es diese Ungereimtheiten auch bei der Vergabe 2006 gegeben haben könnte. "Wissen tut niemand was. Aber keine Vergabe ist zu 100 Prozent sauber. Ich würde aber leider auch bei der deutschen WM davon ausgehen".

Kurz vor Blatters Rücktritt war auch ein Boykott der europäischen Länder im Gespräch. Während Sandra Bauer und Eberhard Schmidt gegen einen Boykott wären, versteht Appel diese Überlegungen. "Aus Sicht der Fans ist das natürlich nichts. Aber wenn alle zusammen halten würden, wäre es sicher möglich. Würden Deutschland, England, Frankreich, Spanien und Holland zu den Sponsoren sagen, wir oder die WM, könnte man sicher was erreichen", meinte er. Schmidt sieht die Sache ein wenig anders: "Der Boykott der Sommerolympiade in Russland hat damals auch nichts gebracht, außer dass sich die westlichen Sportler nicht mit ihren Konkurrenten messen konnten", meinte er. Außerdem sollten für ihn Sport und Politik voneinander getrennt werden. "Sport soll verbinden, polarisieren und vor allem begeistern".

Wie viele Millionen oder Milliarden bei den Vergaben fließen, weiß niemand. Doch während ganz oben mit Unsummen jongliert wird, sieht es in den unteren Bereichen anders aus, wie auch Eberhard Schmidt bestätigte. "Es stimmt mich nachdenklich, wenn ich darüber nachdenke. Aber diese Gedanken sollten sich die Menschen machen, die diese Fehlentwicklung zu verantworten haben. Sie müssen korrigierend handeln und das Geld an den richtigen Stellen einsetzen". Auch Sandra Bauer kennt als Jugendtrainerin das Problem des fehlenden Geldes, auch wenn ihr Verein nicht davon betroffen ist. "Wir haben zum Glück genug Sponsoren. Aber wenn man bedenkt, dass sich viele andere kleine Vereine keine neuen Trikots leisten können, während Katar mal eben für zig Millionen eine WM geschenkt bekommt, ist das wirklich unfair". Für Georg Appel ist diese Entwicklung der Lauf der Dinge. Er vergleicht die Situation im Fußball mit dem Musikbereich. "Eine Musikschule überlebt nicht, auf der anderen Seite wird eine Tournee für mehrere Millionen veranstaltet. Es ist einfach zu viel Geld im Spiel, die Spanne ist zu groß".

Bei der Frage, wer nun der richtige Mann dafür wäre, die Fifa aus der Krise zu führen, herrscht keine Einigkeit. Während sich Eberhard Schmidt Franz Beckenbauer in dieser Rolle vorstellen könnte, ist für Sandra Bauer vor allem wichtig, dass er der Fifa neues Leben einhaucht und nicht vor Veränderungen zurückschreckt. Georg Appel hat keinen konkreten Favoriten, sieht allerdings auch die ganze Fifa in der Pflicht. "Es hängt nicht alles am Präsidenten, alle müssen sich ein Stück weit ändern. Vielleicht wäre Luis Figo tatsächlich einer, der das kann."

© SZ vom 05.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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