Das Camera schließt:Tradition hat keine Zukunft

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Das Kino an der Stieglbräugasse macht hohe Verluste. Der Mietvertrag läuft Ende 2013 aus, das Haus wird wohl abgerissen

Kerstin Vogel

Das Freisinger Camera-Kino wird wohl im November geschlossen. Betreiber Paul Fläxl bestätigte gestern, dass an eine Weiterführung des traditionsreichen Programmkinos über 2013 hinaus nicht zu denken ist. Verantwortlich macht er dafür jährliche Verluste "im hohen fünfstelligen, sogar mal im sechsstelligen Bereich". Fläxl: "Das kann man auf Dauer so nicht stemmen." Als ihm die Eigentümer des Kinogebäudes an der Stieglbräugasse vor drei Monaten ihre Pläne unterbreitet hatten, das Haus abreißen und durch ein Mehrfamilienhaus ersetzen zu wollen, sei "der Widerstand seiner Familie deshalb nicht mehr besonders groß" gewesen. Der Mietvertrag läuft ohnehin zum Jahresende aus, die 18 Mitarbeiter habe man bereits informiert und ihnen Jobs an den anderen Kinostandorten der Familie Fläxl in Neufahrn und Erding angeboten.

Der Niedergang der kleinen Fläxl-Kinos in der Stadt Freising hat natürlich ein bisschen auch mit dem Trend zu den großen Multiplex-Kinos zu tun - und da macht sich die Betreiberfamilie mit ihrem Neufahrner Standort selber die größte Konkurrenz. Hier finden die Filmfreunde schon jetzt elf Kinosäle mit 1210 Plätzen vor, dazu verschiedene Restaurants - und Parkplätze direkt vor der Haustür. "Das größere Potenzial an Kino-Besuchern lebt außerhalb der Stadtgrenzen", sagt Fläxl. Es gebe einfach nicht mehr genug Interessenten, die ein Innenstadt-Kino zu Fuß oder mit dem Fahrrad besuchen wollten. "Wir sind betrübt, dass wir das Camera nicht wirtschaftlich machen konnten, wir haben uns wirklich reingehängt, aber es ist schiefgegangen", bedauert Fläxl. Immerhin hätte man am Standort Stieglbräugasse 2014 das 40. Jubiläum feiern können: Seit 1974 werden in den Kinosälen dort Filme gezeigt. "Aber eine Tradition, die viel Geld kostet, ist ein Hobby" - und das könne man sich auf Dauer nicht mehr leisten.

Dass die Fläxls nicht versucht hätten, das Camera-Kino zu retten, kann man ihnen kaum vorwerfen: Laut Paul Fläxl wurden bei umfangreichen Renovierungsarbeiten von fünf Jahren stolze 250 000 Euro in das Filmtheater investiert, noch einmal dieselbe Summe folgte in den Jahren danach. Man habe sogar den gleichen Ausstatter wie bei den modernen Kinos in Neufahrn beauftragt, um den Standard anzupassen, berichtet Fläxl. Mittlerweile aber müsse man wohl von "Fehlinvestitionen" sprechen. Denn um das Kino wirtschaftlich zu betreiben, hätte man 75 000 Besucher pro Jahr benötigt. Mehr als 55 000, maximal 60 000 wurden es aber nicht mehr, bedauerte Fläxl: "Das Camera war ein Zuschussbetrieb."

Den aber können sich die Fläxls schon deshalb nicht leisten, weil in diesem Jahr große Investitionen anstehen. So soll das Gebäude an der Hauptstraße, in dem früher das Bavaria-Kino untergebracht war, heuer abgerissen und neu gebaut werden (Text rechts) - außerdem plant die Betreiberfamilie auch für den Neufahrner Standort. Dort stehe "das neue, große Kino für Freising", betont Fläxl - und dort will er weiter investieren: Geplant sind fünf neue Säle kleinerer und mittlerer Größe. Die Zahl der Sitzplätze steigt damit auf 1500.

Zum Jahresende könnte man fertig sein, hofft Fläxl - und ist damit an einem Punkt, von dem sein künftiger Konkurrent, der Betreiber des geplanten Kinos an den Schlüterhallen, nur träumen kann. Dort will der Weimarer Investor Josef Saller ein großes Erlebnis-Kino mit vier bis sechs Sälen und bis zu 220 Quadratmeter großen Leinwänden bauen, außerdem ein Restaurant und eine Bar. Doch der zuletzt für Herbst 2013 avisierte Baubeginn ist inzwischen wieder fraglich - und Saller am Rande der Verzweiflung. Seit vier Jahren werde geplant und beschlossen, dann gebe es Zweifel, es werde umgeplant, neu beschlossen - und dann gehe alles wieder von vorne los, schildert er sein Erleben. Die abschließende Behandlung des Bebauungsplans vor der Auslegung sei auf April verschoben worden. Als die Stadträte zuletzt diskutiert hätten, ob sie zur Verkehrserschließung nicht doch einen Kreisverkehr bauen wollen, "da hätten wir fast einen Herzstillstand erlitten, das hätte noch zwei Jahre Verzögerung bedeutet", so Saller. Dann habe plötzlich ein externer Rechtsanwalt den Bebauungsplan prüfen müssen; und ständig habe jemand Bedenken, dabei brauche man endlich Lösungen. "Und das, obwohl sich eigentlich alle einig sind: Stadtrat, Verwaltung, OB - alle wollen das Kino, ich kann nicht mal auf jemanden wütend sein."

Was Saller halb augenzwinkernd schildert, hat indes einen ernsten Hintergrund. Man werde bei den Mietern langsam unglaubwürdig, klagt er: "Wir müssen irgendwann einen Stein auf den anderen tun." Von drei ernsthaften Interessenten, die das Kino betreiben wollten, sei einer schon abgesprungen - und das habe auch mit den voranschreitenden Plänen des Konkurrenten Fläxl in Neufahrn zu tun. Saller: "Natürlich belebt Konkurrenz das Geschäft, aber zu viel Konkurrenz tötet."

Eine Diskussion zum Aus für das Camera-Kino läuft auf der Facebook-Seite der Freisinger SZ: www.facebook.com/szfreising

© SZ vom 23.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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