Auszeichnung:Besuch von einem Engel

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Seit 31 Jahren kümmert sich Margit Bartscherer um einsame Menschen im Altersheim. Dafür wurde sie ausgezeichnet

Von Johannes Stuhrmann, Freising

Alttestamentlich kennt man den Engel als Bote, im Alltag spricht man vom Schutzengel, Margit Bartscherer meint: "Ein Engel, der bringt Licht." Sie selbst ist ein bisschen wie einer. Die Staatsministerin Melanie Huml hat die 78-Jährige am vergangenen Mittwoch mit dem "Weißen Engel" gewürdigt. Verliehen wird diese Auszeichnung für besonderes und langjähriges ehrenamtliches Engagement in den Bereichen Gesundheit und Pflege.

Seit 31 Jahren besucht Bartscherer Menschen in Altersheimen. Diejenigen, die sonst keiner besucht. Kerzengerade sitzt die pensionierte Englischlehrerin am Tisch, die Hände übereinander gefaltet. "Manche Bewohner wollen nur reden", erklärt sie ihre Tätigkeit, "aber ich gehe auch mit ihnen spazieren, einkaufen oder mache Arztbesuche."

Wichtig seien die Besuche vor allem für Bettlägerige, die kaum Kontakt zur Außenwelt haben. "Eigentlich bin ich ein stiller Mensch", meint sie. "Bei den Besuchen ist das gut, viele wollen einfach, dass man ihnen zuhört." Dabei entwickeln sich meist Freundschaften. Viele Bewohner begleitet sie Jahre lang. "Bei manchen hat man den Eindruck: Die leben so lange, weil ich komme." Die Pflegeleitung vermittelt meist die Bewohner. "Das Personal weiß Bescheid, wer Besuch braucht", sagt Bartscherer. Kann man sie also buchen? Darüber lacht sie, "sozusagen." Beata Kansy, Sozialpädagogin in der Heiliggeistspital-Stiftung Freising, hat sie vorgeschlagen. "Ich erlebe sie im Haus als sehr engagiert. Sie begleitet die Bewohner über viele Jahre, auch im Sterben", begründet sie ihre Entscheidung.

Diese Besuche seien aufwühlend. "Danach setzen wir uns und trinken erst mal einen Tee zum Runterkommen", erzählt ihr Mann Hans-Christoph Bartscherer. Zugewandt stützt er sich mit den Ellenbogen auf den Tisch, meist mit einem Lachen, das Herz und Zähne zeigt. Der Physiker kalkuliert: "31 Jahre jede Woche drei Stunden Einzelbetreuung - wie viel das kosten würde?" Margit Bartscherer wurde anders belohnt: "Ich habe immer zurückbekommen. Man hat das Gefühl: Man wird gebraucht", sagt sie. "Das ist eine sinnvolle und dankbare Aufgabe."

Angefangen hat sie mit 49 Jahren. Damals ging es ihrer Mutter so gut, dass sie diese nicht pflegen brauchte. "Sie war im hohen Alter noch aktiv, dafür war ich dankbar. Da kann ich mich doch um Andere kümmern", meint sie. Dazu kam der Wunsch, sich christlich zu engagieren. Die Pfarrei in Freising vermittelte sie dann an Bewohner eines Altenheims, die Besuch benötigten.

31 Jahre sind viel. Nach zwanzig hatte sie eigentlich überlegt aufzuhören. "Es funktioniert nicht, wenn der andere einen nicht wertschätzt." Dann wechselte sie zum Heiliggeistspital. Deren Motto "Auch im Alter mitten im Leben!" - sie verkörpert es geradezu. "Ich fühle mich noch ganz jung", sagt Bartscherer. Nächstens möchte sie mit ihrer Tochter in den Iran reisen.

In all den Jahren hat sich einiges geändert: "Es gibt viel mehr Betreuung und die Bewohner sind wesentlich aktiver - machen Gedächtnistraining, Bewegungsspiele und Basteln", sagt sie, "außerdem veranstalten wir Wohlfühltage und feiern Feste." Im Altenheim gefällt es ihr so gut, dass sie später selbst dort wohnen möchte. Auch über Besuch würde sie sich selbstverständlich freuen. Aber soweit ist es noch nicht. Über ihr Engagement sagt sie scherzhaft: "Ich mach' das so lange, bis ich nicht mehr krabbeln kann."

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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