Ausbildungsstart:Mörtel schleppen muss keiner mehr

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Auch in diesem Jahr hatte es das Handwerk bei der Suche nach Lehrlingen wieder besonders schwer und das, obwohl die Arbeit längst nicht mehr so anstrengend ist wie früher

Von Petra Schnirch, Freising

Für viele Jugendliche ist dieser Donnerstag ein aufregender Tag, denn am 1. September beginnen traditionell die meisten Ausbildungsverhältnisse. Etliche Betriebe im Landkreis aber gehen auch in diesem Jahr leer aus: 283 Stellen waren Ende August offen, dem standen 99 Jugendliche gegenüber, die noch auf der Suche nach einer Lehrstelle waren. Freie Plätze gibt vor allem für angehende Verkäufer, Kaufleute im Einzelhandel, Friseure, Handelsfachwirte und für Köche, auch das Handwerk könnte "locker noch 20 bis 30 junge Leute einstellen", sagt Kreishandwerksmeister Martin Reiter. Für seinen Trockenbaubetrieb aber habe er schon seit fünf Jahren keine Bewerbung mehr bekommen, früher seien es regelmäßig zwei bis drei gewesen.

Harald Brandmaier, Teamleiter Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit in Freising, spricht von einem "ganz klaren Bewerbermarkt". Bis Dezember werde sich zwar noch einiges tun, am Ende aber würden einige Stellen unbesetzt bleiben. Seit Oktober 2015, dem offiziellen Beginn des Berufsberatungsjahres, meldeten sich insgesamt 1133 Bewerber bei der Agentur, 1034 von ihnen fanden in der Zwischenzeit eine berufliche Perspektive. In der gleichen Zeit gingen beim Arbeitgeber-Service 1094 Offerten ein. Etwa ein Viertel der Lehrstellen ist noch zu vergeben.

Besonders gefragt sind bei den Jungs Ausbildungen zum Kfz-Mechatroniker, gefolgt vom Kaufmann Büromanagement, Industriemechaniker, Speditionskaufmann und Industriekaufmann. Die Mädchen nannten als ihre Lieblingsberufe die Kauffrau Büromanagement, Medizinische Fachangestellte, Kauffrau im Einzelhandel, Industriekauffrau und Verwaltungsfachangestellte in der Kommunalverwaltung. Bauberufe zählen nicht dazu, obwohl Betriebe und Kreishandwerkerschaft regelmäßig in Schulen und auf Messen für ihre Branche werben. An der Bezahlung liege es nicht, meint Reiter, die sei gut. So bekämen die jungen Leute im dritten Ausbildungsjahr bereits 1200 Euro. Und danach "steht jedem alles offen": Mit einem Meisterbrief ist inzwischen sogar ein Studium möglich. Das Image der Bauberufe allerdings könnte besser sein, obwohl die Arbeit dank Hilfsmitteln wie Kran oder Gabelstapler längst nicht mehr so schwer ist wie früher: "Mörtel schleppen muss keiner mehr", sagt Reiter. Auf der Berufsfit habe er erlebt, dass eine Mutter ihren Sohn von seinem Stand wegzog mit den Worten: "Du willst doch nicht Handwerker werden?". Da fiel auch dem eigentlich recht wortgewandten Kreishandwerksmeister nichts mehr ein.

Brandmaier bestätigt, dass es gerade für kleinere Handwerksbetriebe nicht leicht sei, Azubis zu finden. Die hätten keine eigene Ausbildungsabteilung. Der Name des Unternehmens spiele ebenfalls eine Rolle, große Automobilfirmen hätten es hier viel leichter. Außerdem seien Betriebe auf dem Land für die jungen Leute oft schlecht zu erreichen.

Zufrieden mit der Situation ist man allerdings auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) nicht. Nach einer erfolgreichen Lehre stünden alle Wege offen - "diese Botschaft müssten die Schulen noch besser den Schülern und ihren Eltern vermitteln", findet Andreas Scharf, stellvertretender Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Erding-Freising. 628 Jugendliche im Landkreis treten eine Ausbildung in einem der 375 Unternehmen an, die der Industrie- und Handelskammer angehören. Was den Betrieben zu schaffen macht, ist der Trend zu weiterführenden Schulen. Der ist laut Brandmaier "ungebrochen".

Angesichts des Stellen-Überhangs brauche kein Jugendlicher in Panik zu verfallen, der bisher noch keinen Ausbildungsplatz gefunden habe. "Das wäre die schlechteste Einstellung", sagt der Teamleiter Berufsberatung. Diese Personengruppe sei allerdings sehr heterogen, sie reiche vom Abiturienten, der darauf wartet, ob er einen Studienplatz bekommt, bis hin zum "mittelprächtigen Mittelschüler". Daher seien auch die Voraussetzungen sehr unterschiedlich.

Reiter hofft unterdessen, dass das Interesse an Handwerksberufen wieder wachsen wird - und dass sich auch junge Asylbewerber dafür begeistern lassen. Noch finden sich nur einige "Überflieger" unter den Azubis, Brandmaier glaubt aber, dass sich schon im kommenden Jahr mehr Flüchtlinge um Ausbildungsplätze bewerben - weil sie dann besser Deutsch sprechen und sich etwas eingelebt haben.

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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