Aus dem Gericht:Tritte gegen Kopf und Körper

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Weil sie vor einer Freisinger Bar einen 22-jährigen Studenten verprügelt haben, werden fünf junge Männer zu Dauerarrest verurteilt, ein unter offener Bewährung stehender Mittäter muss eine Jugendstrafe absitzen

Von Alexander Kappen, Freising

Die sechs Angeklagten sitzen ruhig auf ihren Stühlen, starren in den Boden oder schauen mit leerem Blick ins Nirgendwo. Sie wirken angespannt. Richter Boris Schätz und seine beiden Schöffen haben sich zur Beratung zurückgezogen und lassen noch etwas auf sich warten. Als sie schließlich in den Sitzungssaal 1 des Freisinger Amtsgerichts zurückkommen und ihr Urteil verkünden, weicht die Anspannung der Angeklagten großer Enttäuschung. Das Gericht erklärt sie für schuldig und ist überzeugt davon, dass die sechs jungen Männer, heute zwischen 19 und 21 Jahre alt, im Januar einen 22-jährigen Studenten auf dem Parkplatz einer Freisinger Bar gemeinsam verprügelt und schwer verletzt haben.

Die Angeklagten werden nach Jugendstrafrecht verurteilt, erhalten zwischen zwei und vier Wochen Dauerarrest. Einen jedoch, einen 19-jährigen Freisinger, trifft es besonders hart. Er muss zweieinhalb Jahre Jugendstrafe absitzen, da er achtfach, teils einschlägig, vorbestraft ist und unter offener Bewährung stand.

Auslöser der Schlägerei war ein Streit zwischen einem der Angeklagten,19, und dem Studenten, die sich zwei Wochen vor der Tat zugetragen haben soll. Der ältere Bruder des genannten Angeklagten, ein heute 21-jähriger FOS-Absolvent, bat den Studenten am Tatabend zu einer Aussprache vor die Tür und forderte ihn zum Zweikampf auf. Der Student - im Prozess war er Nebenkläger - wich dem Schlag des 21-Jährigen aus und riss ihn zu Boden. Und dann traten die fünf anderen Angeklagten, die den beiden ins Freie gefolgt waren, wüst auf den Studenten ein, trafen ihn an Körper und Kopf. Der 22-Jährige erlitt eine bis heute nicht ausgeheilte Schulterblessur, Rippenprellungen, eine Gehirnerschütterung sowie Gesichtsverletzungen.

Das Gericht gelangte im Verlauf der zweitägigen Hauptverhandlung zu der Überzeugung, dass alle Angeklagten an der Tat beteiligt waren, obwohl sie das teilweise vehement bestritten. Es sei nicht nachweisbar, dass der 21-Jährige, der den Nebenkläger zum Zweikampf aufgefordert hatte, "mit den anderen abgesprochen hat, dass sie auch bei der Schlägerei mitmachen", sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Der FOS-Abgänger wurde im Gegensatz zu seinen Mittätern nicht wegen gefährlicher, sondern versuchter Körperverletzung zu drei Wochen Dauerarrest verurteilt. Zwei der Angeklagten traten dem Opfer nach Überzeugung des Gerichts mit voller Wucht gegen den Kopf und müssen dafür vier Wochen in Dauerarrest. Das sei "im Grenzbereich zum versuchten Totschlag", meinte die Staatsanwältin. Insgesamt sei es eine "brutale und wahnsinnig feige Tat, zu sechst auf einen Einzelnen einzutreten". Für den Anwalt des Nebenklägers war es eine "potenziell das Leben gefährdende Handlung, die auch noch gemeinschaftlich begangen wurde". Er beantragte, wie auch die Staatsanwältin, dass die Angeklagten jeweils mehrere hundert Euro Schadenswiedergutmachung an das Tatopfer zahlen müssen. Das Gericht verzichtete auf das Verhängen von Geldauflagen. Das sei "Sache eines Zivilgerichts", so der Richter, zumal die gesamten Folgen der Verletzungen sowie die aus der Behandlung entstehenden Kosten noch gar nicht absehbar seien.

Dass auch der unter offener Bewährung stehende 19-Jährige, der seine Beteiligung an der Tat bis zum Schluss bestritt, zugetreten hatte, war für das Gericht aufgrund der Zeugenaussagen erwiesen. Man habe keine andere Wahl, als eine Jugendstrafe zu verhängen, so der Richter. "Für uns ist nicht nachvollziehbar, dass jemand unter offener Bewährung und mit diesen Vorstrafen, vier davon einschlägig, zu so einer Auseinandersetzung hingeht - da hält man sich fern, wenn so viel auf dem Spiel steht", sagte der Richter weiter. Der Verteidiger hatte einen Freispruch beantragt, "weil meinem Mandanten nicht mit nötiger Sicherheit eine Tatbeteiligung beizumessen ist". So habe etwa ein Zeuge, der mitten im Tatgeschehen gestanden sei, "gesagt, dass er meinen Mandanten nicht zutreten sehen hat". Nach der Verkündung des Urteils deutete der 19-jährige wie einige seiner Mitangeklagten an, in Berufung zu gehen.

© SZ vom 06.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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