Amtsgericht Freising:Familiengericht

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Ein sehr ungewöhnlicher Familienbetrieb: Ein Ehepaar aus Au und ihr 19-jähriger Sohn müssen sich wegen des Handels und der Weitergabe von Drogen vor dem Amtsgericht in Freising verantworten.

Alexander Kappen

Dieser Fall rage aus der Masse heraus, sagte Richter Boris Schätz, "es handelt sich hier ja um einen kleinen Familienbetrieb". Allerdings einen eher ungewöhnlichen. Ein Ehepaar aus Au und ihr 19-jähriger Sohn mussten sich am Mittwoch wegen des Besitzes, des Handels und der Weitergabe von Drogen vor dem Freisinger Amtsgericht verantworten.

Das Verfahren gegen den Vater, 47, wurde eingestellt. Die Mutter, 38, wurde freigesprochen, weil ihre Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Ihr geständiger Sohn dagegen erhielt eine neunmonatige Jugendstrafe auf Bewährung, weil er in 293 Fällen zwischen einem und vier Gramm Marihuana und Haschisch verkauft und sieben Mal an eine 19-jährige Münchnerin zum sofortigen Konsum weitergegeben hat.

Der 19-jährige Lehrling macht vor dem Jugendschöffengericht einen sehr ruhigen und - abgesehen von einem Piercing an der Augenbraue - fast unscheinbaren Eindruck. Über seinen Anwalt Thomas Krimmel lässt er erklären, dass er die ihm zur Last gelegten Taten - dazu zählen auch der unerlaubte Besitz von Drogen sowie eines Butterfly-Messers - vollständig einräumt. Lediglich die Zahl der Fälle, in denen er Drogen verkauft hat, korrigiert er von ursprünglich 577 auf besagte 293 Fälle.

Später, als er dann selbst aussagt, berichtet der 19-Jährige, wie er im Alter von 16 Jahren begann, Drogen zu nehmen. Zwei Joints pro Woche. Anfang 2008 begann er auch, Drogen zu verkaufen. "Aber heute rühre ich das Zeug nicht mehr an", versichert er. Für den Fall einer Bewährung sei er zu Drogenberatungsgesprächen bereit.

In der Bewertung der Jugendgerichtshilfe wird dem 19-Jährigen eine Entwicklungsverzögerung attestiert. Die Verzögerung sei wohl auch auf das "defizitäre erzieherische Einwirken der Eltern" zurückzuführen. Oder, um es in den Worten von Anwalt Krimmel zu sagen: "Er ist von seinen Eltern, ohne ihnen zu nahe treten zu wollen, offensichtlich nicht so eindringlich von Drogen ferngehalten worden wie andere Kinder." So wurden in der Wohnung der Eltern im Dezember 2010 knapp zehn Gramm Haschisch und Marihuana gefunden. Der Vater räumt den Tatbestand vor Gericht ein, beteuert aber, seine Frau habe "mit der Sache nichts zu tun". Sein Verfahren wird wegen Geringfügigkeit gegen eine Zahlung von 250 Euro eingestellt.

Seine Frau ist im Jahr 2000 wegen der Einfuhr von und des Handels mit Betäubungsmitteln zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. In der aktuellen Verhandlung muss sie sich auch wegen Drogenhandels verantworten. Sie soll der besagten 19-jährigen Münchnerin zusammen mit ihrem Sohn ein Gramm Marihuana im Wert von zehn Euro verkauft haben. Vor Gericht bestreitet sie den Vorwurf. Gleiches gilt für die 19-Jährige, die das bei der Polizei ursprünglich behauptet hat und jetzt als Zeugin aussagt.

Bei der Polizeivernehmung sei sie krank gewesen. "Ich war gar nicht bei mir und wollte, dass alles schnell vorbei ist." Sie habe dann falsch gegen die 38-jährige ausgesagt, "weil die Polizistin mir gesagt hat, dass ich das so machen soll und es dann zu keiner Verhandlung kommt". Zwei Tage später habe sie die Aussage zurückziehen wollen, sei von der Polizistin am Telefon aber abgewimmelt worden. Die zehn Euro, um die es in einem von der Polizei abgehörten Telefonat mit der Angeklagten ging, "waren für eine Hose, die ich für sie besorgen sollte".

Die Staatsanwältin sieht die Schuld der Angeklagten dennoch als erwiesen an und fordert fünf Monate auf Bewährung. Anwalt Michael Marx ("Die Staatsanwältin war wohl in einer anderen Verhandlung als wir") plädiert auf Freispruch. Richter Schätz und die Schöffen kommen dieser Forderung nach, "weil wir nicht wissen, wie glaubhaft die Aussage der Zeugin bei der Polizei war, auch wenn wir sie für plausibel halten". Letztlich aber "überwiegen die Zweifel".

© SZ vom 21.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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