Die Geburtsbegleiterin:"Doula" bedeutet Dienerin

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Ulrike Mann-Drewes arbeitet als Doula und begleitet Frauen vor und nach der Geburt emotional und physisch. Sie ist jedoch keine Hebamme (Bild). (Foto: Matthias Hiekel/dpa)

Ulrike Mann-Drewes arbeitet in Freising und Umgebung als Doula: Sie steht einer Mutter vor und nach der Entbindung als Begleiterin zur Seite. In Deutschland wird der Beruf kritisch gesehen.

Von Laura Caspari, Freising

Ulrike Mann-Drewes stellt ihre lilafarbene Tragetasche auf den Boden und fängt an sie auszuräumen. Als erstes zieht sie einen kleinen blauen Beutel aus der Tasche, der eine Babypuppe, das Miniaturskelett eines menschlichen Beckens und einen Stoffbeutel, der eine Plazenta darstellen soll, enthält. "Damit kann ich gut zeigen, was bei einer Geburt passiert", erklärt Mann-Drewes. Jeden Gegenstand, den sie zu Tage fördert, braucht die Doula für ihren Beruf. Doula ist altgriechisch und bedeutet sinngemäß "Dienerin". Eine Doula ist eine Frau, die einer Mutter vor, während und nach der Geburt als emotionale und physische Begleiterin zur Seite steht. Als nächstes hält sie eine Art Teigroller in die Höhe, der mit warmem Wasser gefüllt wird und für Massagen geeignet ist. Neben Entspannungsöl beherbergt die Tasche zwei in eine Socke eingewickelte Tennisbälle sowie weitere Massage-Tools.

Zur Doula berufen ist Ulrike Mann-Drewes, die Eltern vor und nach der Geburt ihres Kindes begleitet. (Foto: Marco Einfeldt)

"Ich schaffe einen geschützten Raum für die Schwangere"

Als Geburtshelferin begleitet Ulrike Mann-Drews, selbst Mutter von drei Kindern, werdende Eltern - und sie tut das hauptsächlich auf Englisch. Angefangen mit der privaten Geburtsbetreuung hat die ehemalige Krankenschwester und Grundschullehrerin in den USA. Ihr Mann hatte eine Stelle an der Ingenieursschule Colorado School of Mines angenommen. Mann-Drewes suchte nach einer Tätigkeit, in der sie die Berufe der Krankenschwester und der Grundschullehrerin vereinen konnte und stieß so auf die Doula-Ausbildung. "Das ist eher eine Berufung, als eine Sache, die man sich selbst aussucht", beschreibt Mann-Drewes ihre Arbeit. "Meine Aufgabe besteht darin, einen geschützten Raum für die Schwangeren zu schaffen und herauszufinden, wie ich ihnen ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit geben kann."

In den USA sei die Doula eine weit verbreitete Rolle, die in Deutschland eher kritisch gesehen wird. Der Vorwurf lautet, dass die Doula die Aufgaben der Hebamme übernimmt und die Rolle des Vaters wegnimmt. "Ich leiste aber keine medizinische, sondern nur emotionale Unterstützung", erklärt Mann-Drewes. Und selbstverständlich sei sie auch für die Väter da und würde diese ermutigen. Ihre Rolle versteht sie als die eines "best supporting actor", sie selbst sei nicht wichtig. Vielmehr versteht sie sich als Gummiball, der immer hin und her läuft und versucht, zwischen dem Arzt, der Hebamme, den Eltern und der Oma, die draußen ganz aufgeregt auf ihren Enkel wartet, zu vermitteln.

Interessierte Eltern lernt sie bei Geburtsvorbereitungskursen kennen

Seit drei Jahren ist die Kielerin wieder mit ihrer Familie in Deutschland, ihr Mann arbeitet an der TU. Nun begleitet sie werdende Eltern in Freising und Umgebung. "Das fängt gerade langsam an", sagt die Doula. Die ersten Jahre in Deutschland habe sie ihren Kindern gewidmet, denn die seien bisher auf amerikanische Schulen gegangen. Interessierte Eltern lernt sie bei Geburtsvorbereitungskursen kennen oder wenn sie von Hebammen angerufen wird, weil die Eltern nicht gut Deutsch sprechen oder sich Sorgen um die Geburt machen.

Über Wochen begleitet die Doula die Eltern bis nach der Geburt des Kindes, zwei Wochen vor dem möglichen Geburtstermin steigt Mann-Drewes auf Rufbereitschaft um. Da könne mal mitten in der Nacht ein Anruf kommen, erzählt sie. "Da muss man sehr spontan sein, ich musste schon mal während des Weihnachtsessens weg." Auch wenn es schnell gehen muss, ist die dreifache Mutter zur Stelle. Als sie bei der Kleiderausgabe eine hochschwangere Asylbewerberin kennenlernte, die plötzlich ihre Wehen bekam, fackelte sie nicht lange. "Wir mussten zuerst zur Unterkunft gehen und den Mutterpass holen, dann sind wir zum Krankenhaus gegangen", erinnert sich Mann-Drewes. Um ihren Beruf so ausüben zu können, sei natürlich eine Familie wichtig, die sie dabei unterstützt.

"Ich versuche zu vermitteln, dass Mädchen zu beschneiden absolut illegal ist"

Mit schwangeren Flüchtlingen hatte die Doula öfter zu tun, gerade weil die Deutschkenntnisse für Arzt- oder Krankenhausbesuche oft nicht ausreichen. Kulturell seien einige Unterschiede bemerkbar, die Leute würden nicht so intensiv nachfragen. "Die glauben, dass die Geburt schon funktioniert", erklärt Mann-Drewes, eine Einstellung, die sie positiv sieht. "Außerdem werden die Babys viel natürlicher angefasst, die werden genommen und auf den Rücken gebunden. Das ist sehr pragmatisch, davon könnten wir uns eine Scheibe abschneiden." Ganz unproblematisch ist ihre Aufgabe allerdings nicht. "Ich versuche den Frauen zu vermitteln, dass Mädchen zu beschneiden bei uns absolut illegal ist", sagt die Doula. Wirklich verhindern könne sie nichts. "Da besteht auf jeden Fall noch Aufklärungsbedarf."

Dass der Job einer Doula nicht immer leicht ist, liegt auf der Hand. Sie habe viele schwierige Geburten erlebt, die schlimmsten seien aber auch immer die wichtigsten. "Bei einem Paar, das ich betreut habe, war klar, dass das Baby behindert sein wird", erinnert sich Mann-Drewes. "Es musste nach der Geburt sofort auf die Intensivstation." Was aus dem Baby geworden ist, weiß sie nicht. "Ich habe leider keinen Kontakt mehr zu der Mutter gefunden." Sich von solchen Erfahrungen entmutigen zu lassen, steht aber außer Frage. "Die Geburt ist das Spannendste auf der Welt, ich erlebe immer wieder ein Wunder", schwärmt Mann-Drewes. "Zur Geburt mitgehen zu dürfen, ist für mich eine absolute Ehre."

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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