Amtsgericht:Gut "gedealt"

Lesezeit: 2 min

Ein Mann bezieht Arbeitslosengeld II, obwohl er als Versicherungsvertreter Geld verdient. Mit diesem zahlt er Schulden zurück. Der 65-jährige gesteht gewerbsmäßigen Betrug und kommt mit Bewährungsstrafe davon

Von Alexander Kappen, Freising

Es sei nicht so gewesen, dass er mit den 75 000 Euro, die er zwischen 2008 und 2013 unrechtmäßig von der Arbeitsagentur kassiert hatte, "ein Leben in Saus und Braus geführt habe", sagte Walter H. (alle Namen geändert). Er habe das Geld vielmehr dafür verwendet, "das wiedergutzumachen, was ich ganz allein verbockt habe", erklärte er in der Schöffensitzung des Freisinger Amtsgerichts. Der heute 65-jährige Angeklagte geriet 2008 finanziell in Schieflage und meldete Privatinsolvenz an. Das Versicherungs- und Immobilienunternehmen, das er im südlichen Landkreis zuvor gemeinsam mit seinem ebenfalls angeklagten Sohn Martin H., 30, geführt hatte, übertrug er diesem ganz und beantragte Arbeitslosengeld II. Allerdings fungierte Martin H., der nun in einer anderen Firma eine Festanstellung hatte, nur auf dem Papier als Betreiber des Büros. In Wirklichkeit führte es sein Vater weiter. Dieser erzielte mit dem Unternehmen Einkünfte und zahlte damit nach eigenen Angaben seine aufgelaufenen Schulden weiter ab.

Da Walter H. somit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt hätte, verurteilte ihn das Gericht jetzt wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Das Verfahren gegen seinen Sohn Martin H. - beide Angeklagten waren in vollem Umfang geständig - wurde gegen eine Geldauflage von 5000 Euro eingestellt. Er hatte sich der Beihilfe zum Betrug schuldig gemacht.

Das Urteil basierte auf einer Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Richter Manfred Kastlmeier stellte Walter H. im Fall eines Geständnisses eine Bewährungsstrafe von höchstens eineinhalb Jahren in Aussicht und betonte: "Das ist ein sehr günstiges Angebot." Die beiden Angeklagten gingen schließlich auf den "Deal" ein und räumten den Tatvorwurf vollständig ein.

Das Geständnis wurde von den vernommenen Zeugen aus dem Hauptzollamt Landshut untermauert, welche die Wohnungen der Beschuldigten durchsucht hatten. Bei Martin H. wurde nichts gefunden, was auf das Führen des besagten Versicherungsbüros hindeutete. Auf dem Dachboden des Hauses von Walter H. haben die Zollbeamten dagegen ein Büro vorgefunden, in dem sich diverse Geschäftsunterlagen des auf Martin H. angemeldeten Versicherungsbüros befanden, berichtete eine als Zeugin geladene Zollbeamtin.

Walter H. sei nicht vorbestraft, sei bei den Ermittlungen sehr kooperativ gewesen "und hat das Geld nicht für einen luxuriösen Lebensstil verwendet, sondern die Schulden aus seiner vorherigen Firma abbezahlt", sagte sein Verteidiger: "Er hat nur einen geringen Teil des Geldes selbst behalten." Das Schöffengericht hielt Walter H. all das schließlich auch zugute. Allerdings habe der Angeklagte eine "Vielzahl von Taten in einem relativ langen Zeitraum" begangen und einen hohen Schaden angerichtet, sagte Richter Manfred Kastlmeier: "Das Geld hätte man sonst für die Allgemeinheit, zum Beispiel für Kindergärten, verwenden können." Andererseits liege der Beginn der Taten schon relativ lange zurück, und "aufgrund des hohen Lebensalters des Angeklagten kann man davon ausgehen, dass es ein Ausrutscher war, der nicht noch mal vorkommt". Deshalb sei eine Bewährungsstrafe durchaus vertretbar.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: