Flüchtlinge: Stress im Container:"Psychisch kaputt vom Leben im Asyl"

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Zwei Heime in München schließen, viele Flüchtlinge sollen in Container umziehen. Caritas-Dienstleiterin Ghorbani spricht von "menschenunwürdigen Bedingungen".

Interview: Anna Fischhaber

Gerade wurde das Asylbewerberheim in Neuperlach geschlossen, im Sommer soll das Heim in Riem folgen. Die Wohnsituation der Flüchtlinge in München spitzt sich damit dramatisch zu. Für 400 Menschen bedeutet das: Sie werden in baufällige Containerunterkünfte umverteilt, die schon jetzt überbelegt sind. Rosemarie Ghorbani, Fachdienstleitung der Caritas-Sozialdienste, spricht von menschenunwürdigen Bedingungen.

Setzt sich für Flüchtlinge in München ein: Rosemarie Ghorbani von der Caritas. (Foto: Foto: Anna Fischhaber)

sueddeutsche.de: Die Caritas hat in einer Presseerklärung die Unterbringung für Asylbewerber in München sehr kritisiert. Viele sollen nun in alte Container gebracht werden. Ist das ein Skandal?

Rosemarie Ghorbani: Die Asylantenzahlen sind seit Jahren rückläufig in Bayern. Wir haben gehofft, dass die verbliebenen Flüchtlinge nun auf richtige Häuser verteilt werden. Stattdessen werden von der oberbayerischen Regierung gute Unterkünfte geschlossen - angeblich weil Mietverträge auslaufen. Wenn das Heim in Riem im Sommer zumacht, heißt das, dass noch einmal 350 Menschen in 15 bis 20 Jahre alte Container umziehen müssen, die abgewohnt und kaputt sind.

sueddeutsche.de: Wie muss man sich diese Container vorstellen?

Ghorbani: Das sind uralte Metallkästen mit Plastikwänden, in denen Hunderte Flüchtlinge hausen. Vielerorts regnet es rein, die Wände schimmeln. Auch die Sanitäranlagen sind marode. Besonders schlimm ist es in Lerchenau, in der Waldmeisterstraße. Dort sind die Sanitäranlagen so verstopft gewesen, dass die Fäkalien in den Räumen darunter an den Wänden entlang liefen. Dazu kommt das Ungeziefer und die Enge - das ist menschenunwürdig.

sueddeutsche.de: Wie leben die Menschen in solchen Containern?

Ghorbani: Der Container in der Waldmeisterstraße ist wie ein Ghetto, ein Kasten mit Zaun herum. Es gibt dort bereits 80 Kinder, aber nur einen Betreuungsraum für sie. Bei schlechtem Wetter platzt der aus allen Nähten. Für die Erwachsenen gibt es keine Rückzugsmöglichkeit. Die Enge fördert natürlich Aggressionen und Konflikte. Zum Teil wohnen die Menschen zu fünft in einem Zimmer - und das nicht vorübergehend, sondern bis zu zehn Jahre lang.

sueddeutsche.de: Wie halten die Bewohner diese Situation aus?

Ghorbani: Sie sind verzweifelt. Die meisten sind Flüchtlinge, die eine traurige Geschichte mitbringen. In solchen Containern haben sie keine Chance, mit ihren Trauma zurecht zu kommen. Im Gegenteil, die Enge macht sie fertig. Und wenn sie nach vielen Jahren endlich eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, sind sie psychisch kaputt vom Leben im Asylbewerberheim. Und solche psychischen Belastungen kosten die Regierung auch Geld.

sueddeutsche.de: Gibt es keine Alternative?

Ghorbani: Doch. Die Notunterkünfte der Stadt München sind wesentlich besser. Die Mittel, die die oberbayerische Regierung verwendet, sind jedoch gering. Hinzu kommt, dass die Asylbewerber nur 40 Euro Taschengeld im Monat erhalten. Viele dürfen nicht arbeiten oder finden keinen Job. Wenn sie doch ein Einkommen haben, müssen sie Miete zahlen - manchmal Hunderte Euro für ein Mehrpersonen-Containerzimmer. Das sind Wucherpreise.

sueddeutsche.de: Wie könnte eine Lösung aussehen?

Ghorbani: Wir fordern, dass die Container geschlossen werden. Die baulichen Mängel sind massiv. Die Menschen dort müssen endlich in akzeptablen Unterkünften untergebracht werden. Ich hoffe, dass die Öffentlichkeit die Regierung in Zugzwang setzt. Einer gemeinsamen Begehung mit den Grünen haben sie bereits zugestimmt.

(sueddeutsche.de/jja)

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