Filmstart:Vogelperspektive

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DJ Ötzi wird zum "Hosenbiesler", wenn er auf seine Tiere trifft: Paul Klima besitzt am Fuße des Braunecks einen Falkenhof und arbeitet als Tiertrainer an internationalen Filmproduktionen mit. Am Donnerstag kommt "Wie Brüder im Wind" ins Kino - mit Jean Reno und fünf Adlern aus Lenggries

Von Ingrid Hügenell

Hera, das junge Adlerweibchen, nimmt gerne den direkten Weg. Lässt man sie für Filmaufnahmen von einem Gipfel starten, fliegt sie direkt zu ihrem Trainer Paul Klima. Sky dagegen, ein bald neunjähriges Adlermännchen, "schaut sich um, sieht den Paul, fliegt eine Dreiviertelstunde herum und landet dann beim Paul", erzählt Falkner und Tiertrainer Helmut Achatz. Auch Adler haben Charakter, was man beachten muss, wenn man wie Klima und Achatz mit ihnen an internationalen Filmproduktionen mitarbeitet.

An dem Film "Wie Brüder im Wind", der am diesen Donnerstag anläuft, war Paul Klima als leitender Tiertrainer beteiligt, Sky ist einer der Adler, und auch Achatz, der im Lenggrieser Falkenhof mitarbeitet, war als Trainer bei den Filmaufnahmen mit dabei. Die Produktion der Terra-Mater-Film besteht zu etwa einem Drittel aus einem Naturfilm, der das Leben von Steinadlern zeigt. "Ein völlig neues Format", erklärt Klima. Der Naturfilmteil kommt ohne menschliche Mitwirkende aus, er zeigt die Lebenswirklichkeit von Steinadlern in den Alpen. Man sieht die Jagd auf Murmeltiere, bekommt Schneehasen und Gämsen zu Gesicht. Aus Tierschutzgründen spielen verschiedene Adler die tierische Hauptrolle - länger als ein bis zwei Stunden am Stück könne man mit ihnen nicht arbeiten, sagt Klima.

Jean Reno als Förster Danzer und Manuel Camacho als Lukas im Film "Wie Brüder im Wind", der am Donnerstag in die Kinos kommt. (Foto: dpa)

"Wenn Sie hundert Steinadler haben, haben Sie hundert Persönlichkeiten", erklärt der Falkner. "Das geht vom Hosenbiesler bis zum Draufgänger." Der 44-Jährige arbeitet seit seinem 14. Lebensjahr mit Adlern und anderen Greifvögeln. "Man hat den ersten Vogel auf der Hand, und dann ist es passiert", berichtet er von seiner ersten Begegnung mit einem Greifvogel. Danach wollte er nie wieder etwas anderes machen. Oder, wie es Klima ausdrückt: "Seitdem lebe ich das Thema." Er machte die Falkner-Ausbildung und den Jagdschein, den man braucht, wenn man als Falkner tätig sein will. Hinterher absolvierte er noch eine Schreinerlehre, um zumindest eine Berufsausbildung mit einem anerkannten Abschluss zu haben - und um sich die Volieren für die Vögel selbst bauen zu können. Danach war er in mehreren renommierten Falknereien angestellt, unter anderem als Betriebsleiter des Falkenhofs Schloss Tambach bei Coburg.

Seit elf Jahren besitzt er in Lenggries einen eigenen Falkenhof, auf dem er von April bis Oktober Schauvorführungen und Falkner-Workshops anbietet. Die zwölf Eulen, Falken, Adler und Geier, die am Fuße des Braunecks leben, sind aber auch allesamt als Filmtiere ausgebildet, von Klima selbst. Seit 2005 arbeitet er an Fernseh- und Filmproduktionen mit. Deshalb kennt sich auch Adler Sky mit dem Geschäft aus - er ist einer der Stars unter den gefiederten Darstellern und war bereits in fünf Kinofilmen und diversen Fernsehproduktionen zu sehen. Klima hat dabei recht lustige Erlebnisse gehabt, eher mit den menschlichen als mit den tierischen Darstellern. DJ Ötzi beispielsweise sei sehr ängstlich gewesen im Umgang mit dem Adler, auch er "ein Hosenbiesler", sagt Klima.

Der Falkner Paul Klima war an den Aufnahmen als leitender Tiertrainer beteiligt, der filmerfahrene Adler Sky ist einer der fliegenden Darsteller. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Schlagersänger Hansi Hinterseer dagegen habe bei einem anderen Dreh keinerlei Respekt gezeigt. Das kann Klima gar nicht haben: Dass jemand seine Vögel nicht schätzt. Denn die Achtung vor den Tieren und sein Verständnis für sie bilden die Grundlage seiner Arbeit. Er weiß genau, wie viel er den Adlern, Falken und anderen Greifvögeln zumuten kann, wann sie eine Pause brauchen, und welches ihre Eigenheiten sind. "Der Greifvogel darf nie eine schlechte Erfahrung machen, sonst verweigert er die Arbeit." Mit viel Geduld, in kleinen Schritten und mit Leckereien als Belohnung gewöhnt er sie etwa an das Tragen einer kleinen Kamera. Man dürfe die Tiere nicht überfordern. Mit vielen Pausen und genügend Leckerlis aber "haben die Freude an der Arbeit". Dann nehmen sie den Zuschauer mit in die Luft, etwa für die Fernsehreihe und den Kinofilm "Deutschland von oben" oder bei "Terra X"-Folgen.

Der Tierschutz spielt auf dem Falkenhof in Lenggries eine große Rolle, er reicht von der Zusammenarbeit mit der Artenschutz-Organisation WWF und der Vogelwarte Radolfzell der Max-Planck-Gesellschaft bis zur Haltung. Die Greifvögel würden nicht zur Jagd eingesetzt, sagt Achatz, damit sie keine seltenen Arten wie etwa Rebhühner gefährden könnten. Und sie könnten bei der Arbeit oder den Flugvorführungen jederzeit wegbleiben, kämen jedoch aus freien Stücken wieder. "Das geht ausschließlich auf Goodwill", sagt Achatz. "Die Vögel fühlen sich wohl bei uns. Für die sind wir probate Dosenöffner." Die Tiere werden zudem in Gefangenschaft etwa doppelt so alt wie in freier Wildbahn. "Dem Vogel geht es in der Voliere besser, als wenn er den ganzen Winter nass im Baum sitzen müsste", sagt Achatz.

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Auch "Wie Brüder im Wind" erzählt im Naturfilmteil bildmächtig vom wilden, oft auch grausamen Leben der Adler. Die fiktive Geschichte, die um die Adler herum erzählt wird, ist in den Sechzigerjahren angesiedelt: Der Bub Lukas (Manuel Camacho) lebt mit seinem verbitterten Vater (Tobias Moretti) in den Bergen. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist schlecht. Als der Bub ein Adlerjunges findet, das von seinem Bruder aus dem Nest geworfen wurde, zieht er es heimlich auf. Dabei hilft ihm der Förster Danzer (Jean Reno).

Mit diesem Teil des Films hatten Klima und seine Crew allerdings nichts zu tun. Die Arbeit mit Tieren und Schauspielern lag in den Händen des österreichischen Falkners Franz Schüttelkopf. Klima trainierte einige der Vögel: die Jungadler Alois, Bruno, Hera und Rocky. Und Sky war natürlich auch dabei. Vor allem war Klima an der Vorbereitung und dem Dreh des Naturfilmteils maßgeblich beteiligt. 460 Drehtage, teils im Winter im Hochgebirge, "fast fünf Jahre haben wir gedreht", sagt er.

Die Zeiten, in denen Tierfilmer in Zelten auf der Lauer lagen, sind dabei längst vorbei. Inzwischen werden die Adler von Helikoptern oder Ultraleichtflugzeugen aus gefilmt, oder sie tragen die Kamera gleich selbst am Körper, so dass der Zuschauer aus der atemberaubenden Perspektive des Adlers selbst sieht, wie der Vogel über dem Tal kreist. In einem speziellen Luftkanal werden Hochgeschwindigkeitsaufnahmen gemacht, auch dafür sind Klimas Vögel trainiert. Für die Aufnahmen von dem Nest, aus dem das Adlerjunge im Film fällt, wurde eines von Schüttelkopfs Adlerpaaren in eine künstliche Felswand in einer riesigen Halle versetzt, dort brüteten sie und zogen die Jungen auf. Davon merke der Zuschauer nichts, versichert Klima, ebenso wenig davon, dass die Filmadler von unterschiedlichen Tieren gespielt worden seien.

© SZ vom 27.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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