Film über Veit Harlan:Für zwei Millionen Grauen

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Ein Film von Felix Moeller, "Harlan - Im Schatten von Jud Süß" ist ein neuer Versuch, den Filmemacher Veit Harlan zu begreifen - und sein berüchtigtes Werk, den antisemitischen "Jud Süß".

Fritz Göttler

Er hat zu mir gesprochen, sagt Thomas Harlan von seinem Vater - nie mit mir. Veit Harlan, das war ein Extremfall von Kommunikationsstörung, in der großen Familie, mit den Kindern und Enkeln, Neffen und Nichten, und in der Gesellschaft, die der Nazizeit und die der Nachkriegszeit. Schließlich auch in der Nachwelt.

Veit Harlan im Jahr 1950 in Göttingen (Foto: Foto (Archiv): ap)

Der Film von Felix Moeller, "Harlan - Im Schatten von Jud Süß" ist ein neuer Versuch, diesen Filmemacher zu begreifen und sein berüchtigtes Werk, den antisemitischen "Jud Süß". Mit Scham und Verachtung hat man in der Familie darauf reagiert, am heftigsten Thomas, der sich stark engagiert hat bei der Aufdeckung von Naziverbrechen, linksradikal war und revolutionär.

Veit Harlan, der Ufa-Top-Regisseur der Dreißiger und Vierziger, von Goebbels abkommandiert zu den großen Propagandastücken "Jud Süß" und "Kolberg", dem finalen Durchhalteepos. Er war in einer Zwangslage, hat Harlan von diesem Auftrag, für "Jud Süß" , gesagt, seiner Frau Kristina Söderbaum nur im Dunkel gebeichtet, nachts, nachdem sie das Licht ausgeschaltet hatte. Ein Missbrauchter?

Im die gleichen, schwerblütigen Melodramen

Ein schönes "Beweisstück" im Film ist ein Spezialausweis, der Harlan gestattete, jederzeit das Reichspropagandaministerium durch den Hintereingang zu betreten! Nach dem Krieg wurde er für "Jud Süß" zweimal angeklagt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zweimal freigesprochen. Und hat dann gleich wieder Filme gemacht, trotz wütender Proteste. Veit Harlan, the total film-maker. Und immer die gleichen, schwerblütigen deutschen Melodramen. Diese Engelschöre, moniert Thomas, was für eine chemische Herstellung von Gefühlen.

Daneben gibt es Super-8-Material aus dem Familienleben, bis hin zum Transport des Todkranken nach Capri, Frühjahr 1964. Die Familienmitglieder erzählen von ihrer Begegnung mit "Jud Süß", sie sind frustriert, angewidert, aber auch - die Teenager-Enkelinnen - verdutzt: "Ein Film, der so lange verboten ist, ich hätte mir das krasser vorgestellt ..." Tragisch die Enkelin Jessica Jacoby, die auch einen jüdischen Großvater hatte, der sich und seine Frau nicht mehr retten konnte. Der eine Großvater hat Propaganda für die Vernichtung des andern gemacht ... Die Nichte Christiane hat Stanley Kubrick geheiratet - als er der Familie vorgestellt wurde, musste er ein großes Zahnputzglas Wodka vorher trinken.

Was mag ein Film wie der "Jud Süß" wirklich in den Köpfen der Menschen angestellt haben, grübelt Christiane. Film wird immer missbraucht als Propaganda, sagt dagegen der Sohn Kristian, heute werden die Kriegsspiele und -filme alle vom amerikanischen Militär gesponsert. Ist das Kino also überhaupt zu retten? Oder ist das, was als sein Fehler gebrandmarkt wird, nicht auch seine Stärke?

In einem Interview 1963 erzählt Harlan von Goebbels' Reaktion auf die erste "Kolberg"-Version. Ein Tobsuchtsanfall, weil Harlan in grausigen Details zeigte, was Durchhalten und Heldentum heißt. Goebbels sah da nur Pazifismus, Harlan musste viel herausschneiden, für "zwei Millionen Mark Grauen".

HARLAN - IM SCHATTEN VON JUD SÜSS, D 2008 - Regie, Buch: Felix Moeller. Edition Salzgeber, 100 Minuten. Der Film wird am Donnerstag um 19 Uhr im Münchner Filmmuseum gezeigt, in Anwesenheit von Felix Moeller und Jessica Jacoby. Ab Freitag läuft er im Neuen Arena.

© SZ vom 19.03.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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