Festival:Rockavaria ist wie geschaffen für München

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Nörgler spotten, ein Festival ohne Camping sei wie ein Oktoberfest ohne Bierzelte. Den Zuschauern von Rockavaria ist das egal: Sie sind meist in einem Alter, in dem man den Komfort von Hotels schätzt. (Foto: Florian Peljak)

Das Festival ist eher ein Musikfest für Fans im gesetzteren Alter - und deshalb das richtige Pendant zur Hochkultur in der Landeshauptstadt.

Kommentar von Michael Zirnstein

Wie hat Udo Lindenberg in der Olympiahalle doch gleich seine "zweite Heimat" München genannt? "Rock'n'Roll-City." Hendrix, die Stones, Queen, das sei zwar lange her, aber er merke: "Da geht wieder was."

Echt? Spielt nicht die Musik in Berlin, wo jüngst etwa Adele auftrat - um München machte sie wie viele Stars einen Bogen. Plattenfirmen und Musikmedien sind in die Pop-Hauptstadt gezogen. Und die "Initiative Musik" der Bundesregierung hat gerade 18 Berliner Projekte mit Geld gefördert; in Bayern nur drei. München gilt als Hobbyband-Stadt, immerhin mit international geschätzter Subkultur.

Rock ist aber nicht nur die Verweigerungshaltung der Indie-Szene, sondern auch Massen umarmender Größenwahn. Den mögen manche Kommerz schimpfen, aber der ist es, den einer wie Lindenberg spürt: So viele Konzerte wie schon lange nicht in Olympiahalle und -stadion (Rihanna, McCartney, Springsteen . . .).

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Der alternde Rockstar humpelt beim Rockavaria-Festival mehr, als er hüpft. Schließlich wird ihm der Ton abgedreht.

Von Dirk Wagner

Und endlich, 20 Jahre, nachdem das Münchner "Rock im Park" im Chaos versumpfte, gibt es mit "Rockavaria" wieder ein Open-Air im Olympiapark. Da spotten die Nörgler, ein Festival ohne Camping sei wie ein Oktoberfest ohne Bierzelte. Aber sollen die sich ruhig beim "Rock im Park" in Nürnberg austoben.

Das gemütliche Rockavaria ist wie geschaffen für München: Die hart rockende Zielgruppe gilt entgegen ihres fiesen Aussehens als artig und ist oft im Alter, in dem man den Komfort von Hotels schätzt.

Und wie famos ergänzt Heavy Metal - Bastion der Virtuosen - die Hochkultur der Opernstadt. Nightwish-Sängerin Floor Jansen: eine Walküre! Die Cello-Rocker Apocalyptica: zerschreddern den Rock-Klassiker "In der Halle des Bergkönigs" von Grieg. In Extre mo: spielen auf alten Leiern aus einer Zeit, in der Dante dichtete, unter anderem die "Göttliche Komödie", deren Fegefeuer auch im Heavy-Metal-Film "Gutterdämmerung" auf der Hauptbühne loderte - selbst wenn das nicht das erhoffte Inferno war.

Aber egal, dank des Festivals kommt man in den Genuss des zähen Teufelsbratens Iggy Pop. Der ist so beglückt, dass er, als man ihm zum Anwohnerwohle um 23 Uhr den Saft abdreht, gar nicht von der Bühne will (Obacht, explizite Sprache): "I fucking don't wanna fucking go!" Einer der bewegendsten Momente der Münchner Rock-Geschichte, zumindest seit Udo da war.

© SZ vom 30.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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