Feier am Wochenende:Wildes München

Lesezeit: 4 min

Seit 105 Jahren gibt es den Cowboy-Club an der Isar. Wer ist Mitglied und warum? Sechs Beispiele

Von Annika Wiedemann (Texte) und Alessandra Schellnegger (Fotos)

München und der Wilde Westen. Schon 1890 brachte "Buffalo Bill" seine Wild- West-Show mitten in das Herz von München - auf die Theresienwiese, mit Cowboys, Pferden und Bisons. Ein Stück vom Sehnsuchtsland Amerika. Und auch heute gibt es noch die Wild-West-Romantik in München, im "Cowboy Club München". Erst am Nockherberg und jetzt seit mehr als 50 Jahren in Thalkirchen an der Isar. An diesem Wochenende feiert der Verein seinen 105. Geburtstag mit einem Tag der offenen Tür. Seit genau einem Jahr begleitet die SZ-Fotografin Alessandra Schellnegger den Verein in einem Langzeitprojekt.

Dörte Wormuth

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Dörte Wormuth, 53 Beruf: Bürokauffrau Outfit: Lakota-Frau Mitglied seit: War bislang als Familienmitglied dabei und wird jetzt selber die Mitgliedschaft beantragen.

David Grünwald

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: David Grünwald, 22 (jüngstes Mitglied) Beruf: Soldat/Bundeswehr Outfit: Cowboy Mitglied seit: 2017

Arnulf Pfitzke

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Arnulf Pfitzke, 57 Clubname: waŋblí- šuŋgmánitu táŋka Beruf: Anlagenmechaniker u. LKW-Mechaniker Outfit: Lakota-Krieger Mitglied seit/bis wann: ca. 1995-2000 und 2014 - 2018 Arnulf Pfitzke ist im Frühjahr 2018 gestorben

Cindy, daneben Volker Rosenmüller mit Tochter Linda

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Cindy (links im Bild neben Vater und Tochter) Beruf: Freie Kuratorin Outfit: Siedler-Gewand Mitglied seit: 2017 Name, Alter: Volker Rosenmüller, 50 mit Tochter Linda, 6 Beruf: Beamter Outfit: Siedler Gewand Mitglied seit: 2013

William Howard

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Clubname: William Howard Beruf: Maurer im Ruhestand Outfit: Büffeljäger 1874 Mitglied seit: 55 Jahre dabei, also schon seit Kindheitstagen. Sein Vater war auch schon Mitglied.

Herbert Köpf

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Herbert Köpf, Vorstand, 74 Clubname: Billy Cherokee Beruf: Rentner Outfit: Old Style Cowboy Mitglied seit: 1970

Tina Zill

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Tina Zill, 58 Beruf: Informatikerin Outfit: Nachmittags-Ausgehkleid, Bürgerlich gehoben, ca. 1864 Mitglied seit: 2009

Carsten Dieckmann

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Carsten Dieckmann, 28 Beruf: Kinderpfleger Outfit: Trapper mit Fellen und Gewehr Mitglied seit: 2015

Gerhard Lack

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Gerhard Lack, Manager Beruf: Privatier Outfit: "Private", einfacher Soldat der Südstaaten aus dem amerikanischen Bürgerkrieg Mitglied seit: 2016

Winfried Fendt

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Winfried Fendt Clubname: Laredo Beruf: Arbeitslos Outfit: "Mexikaner" Mitglied seit: 2016

Christina Duka

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Christina Duka, 68 Clubname: Broken Hand Beruf: Rentnerin Outfit: Siedlerin / Arbeitskleid um Bürgerkriegszeit 1860 Mitglied seit: Gemeinsam mit ihrem Mann seit 40 Jahren dabei, sie aber nur als passives Mitglied.

Wolfgang Mordstein

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Wolfgang Mordstein, 57 Clubname: Sam Murdock Beruf: Eisenbahnbeamter Outfit: Zylinder und langer Gehrock Mitglied seit: ca. 10 Jahren

Horst Jorra

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Horst Jorra, 57 Clubname: Seth Bullock Beruf: Eisenbahnbeamter Outfit: Mountie (royal canadian mounted police) Mitglied seit/bis: 2011- 03/2018

Christian Ruschig

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Christian Ruschig, 51 Clubname: Großer Wille Beruf: Koch Outfit: Waldland-Indianer Mitglied seit/bis: 2014 - 2017

Robert Zeithamer

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Robert Zeithamer, 55 Beruf: Selbständig im Bereich Catering Outfit: Longhunter östliche USA um 1770-780 Mitglied seit: 2016

Sonja Ulrich

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter: Sonja Ulrich, 58 Clubname: Conchita Fuentes Beruf: Rentnerin Outfit: Cheyenne um 1840 Mitglied seit: Ihr Vater war 70 Jahre lang Mitglied, ihre Eltern haben sich im CCM kennengelernt. Sie ist von Geburt an dabei.

Werner Herzog, Bernhard und Martin Seonbuchner

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Name, Alter (v.l.): Werner Herzog, Bernhard Seonbuchner, 77 und Martin Seonbuchner, 67 Outfit: Soldaten der Armee der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg, abgesessene Truppe

Nähen und recherchieren

Tina Zill, 58, kann mit Cowboys und Indianern nichts anfangen. Zum Glück legt der Cowboy-Club-München aber seinen Fokus auch auf das 19. Jahrhundert - die Spezialität der 58-Jährigen. Ihre Passion sind die Damenkleider und der Tanz der Epoche. Sie besitzt eine Vielzahl von historischen Kleidern, deren Herstellung in detailgetreuer Handarbeit mehrere Hundert Stunden gedauert hat. "Viel Lesen und Bilder anschauen gehört dazu. Aber auch Kupferdrucke sind eine wichtige Inspiration", sagt sie. Tina Zill versucht, die Kleidung so authentisch und realistisch für die Zeit wie möglich zu gestalten, und das bedarf einer langen Recherche. Am 19. Jahrhundert gefällt ihr besonders die Eleganz der Kleidung. Sie bewege sich in ihren Kleidern und den ausladenden Röcken ganz anders als im Alltag. "Im Vergleich zu früher sieht unsere Kleidung heute ja eher aus wie Unterwäsche." Im Cowboy-Club hat die Frau, die im IT-Servicemanagement arbeitet, andere Menschen mit den gleichen Interessen kennengelernt und ist seit 2009 regelmäßig dort. Mit den anderen Mitgliedern veranstaltet sie Seminare, etwa solche, in denen man das Hutmachen lernt.

Austoben und ausprobieren

"Back to the roots", beschreibt Volker Rosenmüller, 50, seine Erfahrung im Cowboy-Club München. Der Beamte ist seit fünf Jahren dabei und schätzt vor allem den Naturaspekt. Bei Übungen der Wasserwacht habe er das Vereinsgelände gesehen und sein Interesse sei geweckt gewesen. "Man kann immer auf das Gelände, und auch mal dort übernachten. Besonders für die Kinder ist es dort toll. Und sie können sich in einem sicheren Umfeld austoben." Denn seine beiden Töchter Linda und Laura sind immer mit dabei. Rosenmüller will seinen Kindern die Möglichkeit geben, neue Dinge wie Bogenschießen auszuprobieren, aber ihnen auch die kulturhistorischen Aspekte und die amerikanische Geschichte näherbringen. Der Münchner und seine Kinder spielen im Club die Rolle der einfachen Siedler; die ersten, die sich in Amerika niedergelassen haben.

Idylle, Tanz und Eleganz – ein Abend im Club. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Gerben, gießen, bauen

William Howard kann sich erinnern, dass die hohen Bäume, die heute das Vereinsgelände überragen, früher ganz klein waren. Der Münchner kam schon als Sechsjähriger in den Cowboy-Club, sein Vater nahm ihn mit: Lasso drehen, reiten, neue Dinge ausprobieren - ein Paradies für Kinder. Und William Howard ist bis heute geblieben, 55 Jahre bis jetzt. "Früher bin ich viel geritten und habe Tricks auf den Pferden gemacht. So etwas wie Halstücher vom Boden aufheben." Heute kann der 60-Jährige das klassische Cowboy-Dasein nicht mehr so ausleben, aber seine Liebe zu Handwerklichem ist geblieben. Der pensionierte Maurer gerbt Felle, gießt Bleikugeln für sein Gewehr, baut indianische Bögen aus Holz und lebt oft tagelang in seinem Zelt auf dem Vereinsgelände. "Ich respektiere die Natur hier. Die heutige Zeit ist so schnelllebig, hier kann man langsamer leben." Im Club verkörpert er meist einen klassischen Cowboy oder einen Trapper. "Der Cowboy-Club ist mein Leben, mein Lebensmittelpunkt", sagt er.

Begleiten

Für Dörte Wormuth, 53, steht weniger der Verein im Vordergrund, als vielmehr die Authentizität der indianischen Darstellung. "Das sind keine Faschingsverkleidungen, das ist originalgetreue Kleidung", betont sie. Wormuth kam über ihren Lebensgefährten Arnulf Pfitzke zum Münchner Cowboy-Club. Sie traten immer als Lakota-Frau und Lakota-Krieger auf, ihr Lebensgefährte starb vor drei Monaten.

Wichtig sind Dörte Wormuth die Menschen im Club, die sie dort kennengelernt hat und die sie besonders jetzt, in der Zeit nach dem Tod von Arnulf Pfitzke, begleiten. "Die Bindung ist irgendwie stärker durch das Hobby, durch das Gemeinsame. Wir sind wie eine Familie, jeder ist für den anderen da", sagt sie.

Wilder Westen in Thalkirchen an der Isar. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Lernen und diskutieren

Es ist Sommer in den Fünfzigerjahren. Herbert Köpf ist zu Besuch bei seinen Großeltern, in deren Garten Cowboys des Münchner Cowboy-Clubs das Lasso drehen üben. Der Junge ist begeistert. Und die Begeisterung hält sich bis heute. Seit 1970 ist Herbert Köpf, im Cowboy Club bekannt unter dem Namen Billy Cherokee, Mitglied im Club und mittlerweile Vorstand. "Ich hatte schon immer ein Faible für Amerika", erklärt der 74-Jährige. Der pensionierte Besitzer eines Sportgeschäfts hat früher viel in der Natur unternommen, war beispielsweise Wildwasserfahrer. Auch heute schätzt er die Idylle auf dem Vereinsgrundstück - und die anderen Mitglieder: "Die Geschichte von Amerika interessiert mich einfach. Und im Club gibt es viele verschiedene Spezialisten, von denen man lernen und mit denen man diskutieren kann." Als Billy Cherokee ist er ein klassischer Cowboy. Er fühle sich in der Kleidung zwar nicht wie ein anderer Mensch, aber er finde es schön, die ganzen verschiedenen Gewänder im Club anzuschauen und zu sehen, wie viel Mühe sich die Menschen geben.

Nachempfinden

Sie geben die Soldaten der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg. Die Brüder Bernhard und Martin Seonbuchner, 77 und 67, sind vom Verein "US Cavalery - Historical Club of Germany" (in der Münchner Gruppe) und immer am Tag der offenen Tür im Cowboy-Club zu Besuch. Bernhard Seonbuchner, Beamter im Ruhestand, hatte sich, zusammen mit seinem Bruder, ursprünglich wegen diverser Hollywoodfilme und Karl-May-Bücher für die Thematik interessiert. "Aber mit der Zeit lernt man mehr über die echte Geschichte hinter den Büchern und Filmen." Bei sogenannten historischen Reenactments stellen sie in originalgetreuer Kleidung historische Gegebenheiten, wie das Lagerleben oder Schlachten, nach. "Wir versuchen einfach, die Geschichte nachzuempfinden. All die Entbehrungen und das harte Leben." Aber nach mehreren Tagen sei man doch immer froh, wenn man wieder nach Hause gehen könne. Früher ist Bernhard Seonbuchner viel geritten, hat sogar eine Reitausbildung abgeschlossen. Doch heute überlasse er das Reiten lieber den Jüngeren in seinem Verein. Die historischen Vereine mit dem Fokus auf amerikanische Geschichte in Bayern stehen im regen Austausch miteinander. "Das gemeinsame Hobby und das Interesse für amerikanische Geschichte verbindet einfach", sagt er.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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