Fasching in München:Witz, komm raus

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In der Fußgängerzone kann man lebenden Wischmopps begegnen. (Foto: Stephan Rumpf)

Hampeln zu YMCA, Bonbons zum zweimal lutschen und fleischgewordene Klobürsten: Der Versuch, am Rosenmontag ein bisschen Stimmung in die Münchner Innenstadt zu bringen, ist ein schwieriges Unterfangen. Eine vorläufige Bilanz des Frohsinns.

Von Stephan Handel

Den massigen Leib schwer auf den Stehtisch gestützt, das Ferrari-Käppi in die Stirn gezogen, die Lippenstift-Herzerl links und rechts auf den Wangen schon deutlich verwischt, den Jackie-Cola vor sich fest mit der Hand umklammert, der ganze Kerl ein einziger Griesgram - wie er da so steht am frühen Nachmittag etwas abseits der Bühne am Stachus, ist der Mann der Person gewordene Beweis für die These, dass man auch Alkohol trinken kann, ohne Spaß zu haben.

Es ist aber, ehrlich gesagt, an diesem Rosenmontag auch nicht so wahnsinnig viel zu sehen, was die Stimmung heben würde: Auf der Bühne hampeln ein paar Leute herum und versuchen zu YMCA, das Publikum zur bekannten gestischen Darstellung des Liedtextes zu bewegen, was nicht besonders gut gelingt. Der Schwulen-Hymne folgt "Gangnam-Style"; beim Versuch, eine Reiterin auf einem Pferd zu imitieren, sieht die Charivari-Moderatorin aus, als drohe ihr baldigst ein Gang zum Chiropraktiker. Jetzt stürmt wenigstens ein Geschwader Putzfrauen aus dem Untergeschoss - Kittelschürzen, Kopftücher -, sie brüllen, als würd's jetzt gleich aufgehen, aber dann ziehen sie doch weiter Richtung Marienplatz. Der Griesgram am Stehtisch verzieht keine Miene.

Die Klage über München, den Fasching und dass die beiden nicht so recht zusammenkommen, ist eine alte, und manchmal stimmt sie auch nicht; an diesem Faschingsdienstag auf dem Viktualienmarkt wird's schon lustig werden, so lustig, dass das Stadtcafé am Jakobsplatz auch heuer wieder von einem Türsteher bewacht werden muss. Der Rosenmontag aber, der ließe sich ohne weiteres streichen. Die Fußgängerzone zwischen Stachus und Marienplatz sieht - Wurststände, Glühwein, Maroni - nicht sehr viel anders aus als an einem durchschnittlichen Wochentag im Advent, mit einem Unterschied: Vor Weihnachten sind mehr Leute unterwegs.

"Des wollt' ma uns amoi oschaun", sagt Alfred, Rentner aus Obermenzing, der mit seinem Spezl Karl hergefahren ist. Zur Feier des Tages haben sie sich zu ihrem üblichen Rentner-Outfit - Allwetterjacke, Cordhose, Schiebermütze - jeweils eine rote Kugelnase aufgesteckt, das muss reichen als Maschkera. Vielleicht ist das das Problem: dass die Leute in München zwar recht gerne und mit Vergnügen zuschauen, wenn andere feiern, selbst aber lieber am Rand stehen und, eben: zuschauen. Insofern gleichen sie den recht zahlreich vorhandenen asiatischen Touristen, die nichts anderes zu tun haben, als jeden Konfettischnipsel mit dem Smartphone zu fotografieren.

Viele kostümierte Faschings-Fans gibt es am Rosenmontag nicht zu sehen: Immerhin gibt es für die Touristen tanzende Bierfässer zu bestaunen. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Augustiner in der Neuhauser Straße bekundet seine Faschingsbereitschaft durch zwei Clownsgesichter aus Plastik über der Eingangstür. Drinnen müht sich ein Alleinunterhalter nach Kräften, aber: Einlass nur mit Reservierung oder Gästeliste. Gegenüber hofft ein Standlbetreiber auf Spätentschlossene und bietet Kostüme zum Verkauf an, so etwa ein schlichtes weißes Nachthemd, dass durch den Aufdruck "morgens" auf der Vorderseite zum "Zahnpastatuben-Kostüm geadelt wird, wie ein Schild kundtut, das auch den Preis nennt: 35 Euro. Ein paar Meter weiter wird "Ficken" angeboten, was aber ein Likör aus Beeren ist. Dennoch haben sich die Servicekräfte freiliegende Brüste aus Plastik umgebunden, wovon sich aber der Liebfrauendom hinter ihnen nicht provozieren lässt.

Hilft auch nicht viel: Das Prinzenpaar winkt am Marienplatz in die Menge. (Foto: Stephan Rumpf)

Am Marienplatz ist mittlerweile die Narhalla nebst Prinzenpaar eingetroffen. Die Gardemädchen - unter die sich auch zwei Gardejungs geschmuggelt haben - warten bauch-, bein- und armfrei auf ihren Auftritt, der dann, als sie endlich dran sind, einen interessanten Kontrast zwischen goldfarbenen Kostümen und bläulichen Hautpartien bietet. Ein thailändischer Tanz soll das sein, was insofern merkwürdig ist, als dazu die Vier Jahreszeiten von Vivaldi erklingen, die nahtlos überführt werden in? Genau - "Gangnam Style", zu dem die Pagodenhüte der Tänzerinnen lustig wippen.

Noch eine Zugabe, Dschingis Khan von Dschingis Khan, zu dem ein mongolisch maskierter Mensch Sprünge vor den thailändischen Tänzerinnen vollführt. Merkwürdig nur, dass der mongolisch maskierte Mensch vorne auf seinem Mongolen-Kostüm ein irgendwie japanisches oder chinesisches Schriftzeichen aufgenäht hat, jedenfalls kein mongolisches.

Dann sind wieder die Radio-Moderatoren dran, einer der beiden trägt ein lustiges Kuh-Kostüm und ruft in die Menge, dass der Fasching ja jetzt bald vorbei sei, dann kommt der Aschermittwoch, und: "Wer trinkt am Aschermittwoch keinen Alkohol?" Einer meldet sich, dem allen Anschein nach nur zu wünschen ist, er möge früher anfangen mit der Abstinenz. Der Moderator aber schleudert ihm entgegen: "Du lügst!"

Schließlich kündigen die beiden Animateure an, sie würden nun Geschenke verteilen, nämlich Bonbons ins Publikum schmeißen. Allerdings: "Wir haben nicht genug für alle - also zwei mal lutschen und dann an den Nebenmann weitergeben." Das ganze Elend des Münchner Rosenmontags, gefangen in einem Satz.

Die Konfetti-Verkäufer haben es schwer am Rosenmontag in der Fußgängerzone. (Foto: Stephan Rumpf)
© SZ vom 12.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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