400000 Euro gefordert:Ungestraftes Leiden

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Trotz Arztfehler bekommt eine Patientin kein Schmerzensgeld

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Auch wenn Ärzte Fehler machen, bekommen betroffene Patienten mitunter trotzdem keine Entschädigung. So wie eine Seniorin aus Geltendorf, die nach einer Wirbelsäulen-Operation in einem Münchner Uni-Klinikum zunehmend körperlich verfallen ist. Durch eine Vielzahl von Nachbehandlungen und diagnostische Versäumnisse kann die Frau nämlich nicht schlüssig beweisen, welche Ursachen letztlich zu ihrem Leidensweg geführt haben. Ihre Klage gegen das Krankenhaus und den Operateur über rund 400 000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz wurde deshalb vom Landgericht München I abgewiesen.

Die damals 67-jährige Frau litt unter einer Instabilität ihrer Lendenwirbelsäule. Eine Operation im Alter von 63 hatte keine Besserung gebracht, deshalb wurden in dem Uni-Klinikum drei Wirbel durch ein System mit beweglichen Schrauben verbunden, das ähnlich funktioniert wie ein Scharniergelenk. Da die Bandscheiben auf die Nervenwurzeln von zwei Wirbeln drückten, musste wenige Tage später eine weitere OP durchgeführt werden. Die Reha-Behandlung einige Wochen später musste schon bald wegen erneuter Beschwerden abgebrochen werden. Im Krankenhaus Ebersberg stellte sich heraus, dass sich Schrauben gelockert hatten: Der Frau wurde zu einer erneuten Operation geraten, die sie in der Unfallklinik Murnau vornehmen ließ. Dort wurden Bandscheiben entfernt und Wirbel endgültig versteift.

Trotzdem leidet die Frau weiter an massiven Schmerzen, hat Probleme beim Heben eines Fußes und Lähmungserscheinungen in einer Hüfte. Dadurch kam es zu einem Ermüdungsbruch des rechten Fußes sowie der rechten Hüftpfanne. Die Frau konnte sich nur noch mühsam mit einem Rollator bewegen. Dadurch wurde aber ihre Schulter so stark beansprucht, dass schließlich links noch eine Schulterprothese notwendig wurde.

Die Patientin führt ihren insgesamt "maladen Zustand", wie sie es nennt, auf eine fehlerhafte Behandlung in dem Münchner Uni-Klinikum zurück. Sie meint, dass die Ärzte ein in ihrem Fall ungeeignetes Stabilisierungssystem verwendet hätten. Außerdem hätten sie es versäumt, den verengten Wirbelkanal gleich mitzubehandeln. Sie kreidet der Klinik zudem mangelhafte hygienische Bedingungen an, die zu einer Infektion mit Staphylokokken geführt hätten, wie sie auf der menschlichen Haut anzutreffen sind. Obwohl Entzündungsparameter vorgelegen hätten, seien Blutuntersuchungen versäumt worden.

Mehrere Sachverständige erklärten den Richtern der Arzthaftungskammer, dass zwar teilweise grobe Fehler begangen wurden, wie etwa die unterlassene Blutkontrolle. Die erfolgreiche Bekämpfung der Keime sei mit dem damals üblichen Antibiotikum aber kaum möglich gewesen. Und auch das verwendete Stabilisierungssystem sei keineswegs ungeeignet gewesen - auch wenn es durch ein "etwas höheres Lockerungsrisiko" gekennzeichnet sei. Das Gericht musste schließlich feststellen, dass ein Zusammenhang zwischen ärztlichen Fehlern und gesundheitlichen Folgen zwar zu vermuten, aber keineswegs zu beweisen sei. Die wiederholten Behandlungen sowie diagnostischen und damit therapeutische Unklarheiten bereits bei der Rückverlegung zur Uni-Klinik hätten die Patientin in eine besonders schwierige Beweislage versetzt. Das Gericht wies daher die Klage ab. Die Frau hat Berufung zum Oberlandesgericht eingelegt.

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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