Ermittlungsmethoden:Mit allen Mitteln

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Günter Okon vom Landeskriminalamt hat "Precobs" mitentwickelt. (Foto: Catherina Hess)

Virtuelle Tatorte und eine Software, die Einbrüche vorhersagt: Wie Fahnder und Rechtsmediziner in München arbeiten

Biometrie

Auch wenn der Mensch der Maschine überlegen ist, wenn es um das Erkennen von Gesichtern geht, tüfteln Softwareentwickler beharrlich an automatisierten Lösungen. Seit einigen Jahren setzt das bayerische Landeskriminalamt bei der Suche nach Verbrechern verstärkt die biometrische Gesichtserkennung ein. Die Software wird immer effizienter, das System von Jahr zu Jahr wichtiger. Das liegt nicht zuletzt an der Bilderflut, die in Zeiten von Smartphones, Facebook und Twitter von Zeugen erstellt und an die Behörden weitergeleitet wird. Gelangt ein Ermittler an ein Bild, das einen unbekannten Tatverdächtigen zeigt, speist er das Material im Computer ein. Die Software legt ein Raster mit Messpunkten auf das Gesicht und gleicht es mit einer bundesweiten Datenbank ab, in der Millionen Straftäter gespeichert sind. Wurde die gesuchte Person schon einmal festgenommen, kann die Software das zugehörige Bild aus der Masse herausfischen. Der Computer spuckt Vorschläge von passenden Kandidaten aus, die sich dann ein Polizist ansieht - ganz ohne den Menschen geht es auch bei diesem System nicht.

"Precobs"

Das "Pre Crime Observation System", kurz "Precobs", ist eine Prognosesoftware und berechnet die Wahrscheinlichkeit, wo demnächst ein Einbruch stattfinden könnte. Natürlich kann der Computer nicht die Zukunft vorhersehen, aber er kann Hinweise liefern, auf welche Straßenzüge die Polizei achtgeben sollte. Das Programm sammelt die Daten vergangener Einbrüche - Adressen, Tatzeit, die Vorgehensweise der Diebe - und sucht nach sich wiederholenden Mustern. Gerade professionelle Täter gehen bis zu einem gewissen Grad berechenbar vor. Hat sich der letzte Einbruch gelohnt, kehren sie oft innerhalb weniger Tage zurück und versuchen es erneut in der Nachbarschaft. "Precobs" kann Verbrechen nicht aufklären, aber es soll helfen, weitere Einbrüche zu verhindern, indem es gefährdete Gebiete innerhalb Münchens identifiziert und die Polizei vorwarnt.

Tatortvermessung

Die Spuren am Tatort sind längst beseitigt, doch die Ermittler im Landeskriminalamt können jederzeit an den Ort des Verbrechens zurückkehren. Die Blutspuren studieren, die Gegenstände im Raum genau betrachten, verschiedene Perspektiven einnehmen. Nicht in der wirklichen, aber in der virtuellen Welt. Bei schweren Verbrechen werden heute nicht nur Fingerabdrücke gesichert und Fotos gemacht, sondern mithilfe von Scannern erfassen die Spezialisten des LKA den gesamten Tatort bis in die kleinsten Details. Später werden die Bilder von Computern zu 3-D-Modellen umgerechnet, mit denen sich der Tatort begehen und der Hergang rekonstruieren lässt. Auch Informationen von Laboruntersuchungen oder aus der Ballistik lassen sich dabei integrieren. "Zentrale Fototechnik und 3-D-Tatortvermessung" heißt die Einheit der Polizei, die auch beim Anschlag am OEZ oder beim Zugunglück in Bad Aibling im Einsatz war.

Isotopenanalyse

Manchmal brauchen Ermittler Daten aus Haaren, Fingernägeln, Knochen und Zähnen, um Verbrechen aufklären zu können. Dabei helfen die Experten aus der Rechtsmedizin und ihre Isotopenanalyse, mit der sich herausfinden lässt, wo ein Mensch gelebt und wie er sich ernährt hat - das Rechtsinstitut München ist hier Vorreiter im deutschsprachigen Raum. Das Verfahren ist zum Beispiel dann praktisch, wenn eine Leiche nicht identifiziert werden kann. Isotope sind unterschiedlich schwere Atomarten eines Elements. Jeder Mensch nimmt sie von Geburt an durch Nahrung, Luft und Wasser in den Körper auf und verfügt so über eine individuelle Isotopensignatur - je nachdem, wo er gewohnt hat. Die Isotopenverhältnisse von Wasserstoff und Sauerstoff etwa zeigen an, in welchem Klima ein Mensch gelebt hat. Stickstoff verrät, ob ein Mensch viel Fleisch, Milchprodukte oder Fisch gegessen hat. Da die Ernährungsgewohnheiten unterschiedlich sind, können Wissenschaftler so Rückschlüsse auf die Herkunft eines Menschen ziehen. Als zum Beispiel in einem Wald ein mit arabischen Schriftzeichen tätowierter Torso eines Mannes gefunden wurde, richteten die Fahnder ihre Ermittlungen gleich auf den arabischen Raum aus. Die Isotopenanalyse aber ergab, dass der Mann nie aus Deutschland herausgekommen war. Die Ermittler begannen neue Recherchen und fanden bald die Lösung: Der Tote hatte lange im Gefängnis gesessen - dort waren arabische Schriftzeichen als Tattoos wohl gerade in Mode gewesen.

© SZ vom 21.06.2018 / tbs, mah, ffu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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