Ermittlungen:Hass aus Sprühdosen

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Die Polizei ist zuversichtlich, die Urheber der zahlreichen politischen Schmierschriften in der Stadt bald zu fassen

Von Thomas Schmidt, München

Wer aus Städten wie Berlin oder Frankfurt stammt und einen Trip durch München unternimmt, dem fällt neben der hohen Polizeipräsenz häufig die geringe Dichte an Graffiti-Schmierereien auf. Gut möglich, dass das eine etwas mit dem anderen zu tun hat. Seit einem Monat jedoch streift auch durch Münchens Stadtviertel eine kleine Gruppe, bewaffnet mit Sprühlackdosen, und beschmiert im Schutz der Nacht Häuserwände, Garagentore, Briefkästen, Kirchenmauern oder Autos. Sozialneid auf Wohlhabende ist offenbar die Antriebsfeder für die Täter, denn ihre Botschaften lauten "Tod allen Yuppies" oder "die, Bonze, die ( Englisch für stirb, d. Red)". 230 Objekte wurden seit Anfang September derart verunstaltet, berichtet die Polizei. Der Schaden belaufe sich auf mehr als eine halbe Million Euro.

Yuppie ist ein verstaubtes Akronym aus den Achtzigern und steht für "young urban professional", junge, karrierebewusste Großstädter. Und weil die Sprühschmierer explizit diesen Menschenschlag verteufeln, stuft die Polizei ihre Taten als politisch links motiviert ein. Die Ermittlungen führt das dafür zuständige Kriminalfachdezernat 43, das von den Tätern mit einigen Schmierereien sogar schon ausdrücklich gegrüßt wurde. Damit mokieren sie sich nicht nur über die Ermittler, sie offenbaren auch ein gewisses Fachwissen über hiesige Polizeistrukturen - ein möglicher Hinweis darauf, dass sie nicht zum ersten Mal in Konflikt mit dem Gesetz geraten sind.

Weil in kurzer Zeit enorm viele Objekte bemalt wurden, geht die Polizei von einer Tätergruppe aus. Allerdings scheint diese Gruppe nicht allzu groß zu sein, denn das Schriftbild der Schmähungen sieht immer gleich aus. Die Ermittlungen sind trotzdem schwierig. Die Fahnder befragen Anwohner und verteilten in den betroffenen Vierteln Zeugenaufrufe. Zudem werten sie die Bilder von Überwachungskameras aus, in der Hoffnung, die Sprayer vielleicht zu entdecken. Mit konkreten Aussagen zum aktuellen Stand der Ermittlungen hält sich die Polizei aus taktischen Gründen sehr zurück. "Wir haben den einen oder anderen Ansatz, von dem wir uns durchaus einen Ermittlungserfolg versprechen", sagt Pressesprecherin Elizabeth Matzinger. "Die Kollegen arbeiten sehr professionell, insofern gehen wir davon aus, dass wir die Täter früher oder später erwischen."

Bis das gelingt, könnte man zynische Wetten darauf abschließen, wann und wo die Schmierer das nächste Mal die Dosen zücken. Bisher traf es Denning, das Dreimühlenviertel und die Isarvorstadt, Bogenhausen, Giesing und Fasangarten, Trudering und Obermenzing. Viele Hausbesitzer könnten auf den Kosten sitzen bleiben, denn gerade alte Gebäudeversicherungen decken Graffiti-Schäden oft nicht ab. Bei der Versicherungskammer Bayern zum Beispiel kann man einen solchen Schutz erst seit 2008 hinzubuchen, erklärt deren Sprecherin Inge Sommergut. Immerhin: Bei Kfz-Versicherungen decke die Vollkasko die Schäden ab.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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