Erfindung:Aktenkoffer mit Rädern

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Team Urbo: Jakob Karbaumer (links) und Felix Ballendat demonstrieren ihre Erfindung. (Foto: Catherina Hess)

Jakob Karbaumer und Felix Ballendat haben mit ihrem Start-up ein Elektrofahrzeug zum Zusammenklappen entwickelt. Sie wollen die Verkehrsprobleme einer Großstadt lindern

Von Andreas Schubert, München

Eine große Idee kann manchmal auch ganz klein sein. So klein wie ein Aktenkoffer zum Beispiel und nur sechseinhalb Kilo leicht, aber trotzdem groß genug, um die Verkehrsprobleme einer Großstadt zu lindern. So stellen sich das zumindest Felix Ballendat, Jakob Karbaumer und David Heid vor. Die beiden Maschinenbaustudenten Ballendat, 27, und Karbaumer, 22, haben ein Elektrofahrzeug entwickelt. Zusammen mit Heid, 23, einem angehenden Wirtschaftsingenieur, wollen sie das Gerät schon kommendes Jahr auf den Markt bringen.

Fotosession vor der Hochschule für angewandte Wissenschaften München (HM): Ballendat und Karbaumer präsentieren die beiden Prototypen ihres Fahrzeugs, während ihr Kollege Heid gerade geschäftlich unterwegs ist. Die beiden weiteren Kollegen aus dem Start-up, Nils Weiß und Mathias Jehkul, kümmern sich von Regensburg aus um die Software respektive die Elektronik-Hardware. Während also die beiden angehenden Ingenieure ihr Fahrzeug herzeigen, beobachten andere Studenten die beiden neugierig. "Sieht aus wie ein Segway", sagt einer im Vorbeigehen. Damit liegt er gar nicht mal so falsch. Das Fahrzeug ähnelt dem bekannten Elektromobil auf den ersten Blick. Doch technisch unterscheiden sich die beiden Geräte. So wird ein Segway mit der Hand gelenkt. Beim Urbo, so nennen die Erfinder ihr Fahrzeug, geschieht dies durch Gewichtsverlagerung, die Stange beim Urbo braucht es gar nicht. Sie ist eher eine Art psychologische Hilfe, damit sich der Nutzer an etwas festhalten kann. Und von den übrigen Balance-Boards unterscheidet sich der Urbo darin, dass er sich binnen zwei Sekunden in ein tragbares Format zusammenklappen lässt. Der Urbo schreibt sich im Logo eigentlich mit großem O am Ende - UrbO. Es soll das Rad symbolisieren, das die Konstrukteure für ihr Gerät vielleicht nicht neu erfunden, aber zumindest speziell für ihr Fahrzeug konstruiert haben.

Mit dem Urbo fahren zu lernen brauche eine Eingewöhnungszeit von etwa fünf Minuten, sagen die Erfinder. Verlagert man das Gewicht nach vorne, geht es vorwärts, lehnt man sich leicht nach hinten, eben rückwärts. So einfach soll das also gehen. Aber bis eine Idee wie diese es zur Marktreife bringt, vergeht so seine Zeit. Vor zwei Jahren ging es los, es entstand ein erster Prototyp. Inzwischen gibt es einen zweiten Prototypen, und der ist schon ziemlich ausgereift. Am Design des Urbo, wie er dann zu kaufen sein wird, arbeiten sie gerade noch. Inzwischen haben die Entwickler schon wichtige Preise eingeheimst, unter anderem beim "KPIT Sparkle", einem Wissenschaftswettbewerb. 10 000 Euro gab es für den ersten Platz, Geld, das die Studenten gut gebrauchen können. Der symbolische Scheck steht im Büro des Teams im sogenannten Start-up-Inkubator, einem Gebäude der HM, in dem diversen Entwicklerteams Räume zur Verfügung stehen.

Auf einem Rechner im Urbo-Zimmer steht "Go electric or die", ein recht flapsiger Spruch mit ernstem Hintergrund. Den Erfindern geht es schon auch, aber nicht nur darum, ein neues Livestyle-Produkt auf den Mark zu bringen, sondern tatsächlich einen Beitrag zum Umweltschutz und gegen den Klimawandel zu leisten. "Man kann Erdöl nicht unendlich verbrennen", sagt Karbaumer. Und Ballendat ergänzt: "Elektroantriebe sind Verbrennungs- und Wasserstoffantrieben massiv überlegen." Mag man jetzt als Laie gerne mal einfach so glauben: Ballendat hat schon bei Tesla in Kalifornien gearbeitet, Karbaumer bei Rimac in Zagreb, einem Hersteller von Elektro-Rennautos. So wissen die beiden, was in solchen Antrieben steckt. Freilich hat der Urbo bescheidenere Daten: 15 Kilometer pro Stunde ist er schnell, die Batterie soll für 20 Kilometer reichen und in 45 Minuten wieder aufladbar sein. Noch gibt es in Deutschland allerdings keine Straßenzulassung für das Fahrzeug. Im kommenden Jahr, davon gehen die Urbo-Leute aus, werde die Zulassung von solchen Elektrokleinstfahrzeugen EU-weit geregelt sein. Dann hoffen sie auf den großen Erfolg, an Visionen mangelt es nicht. Zielgruppe seien, sagen Ballendat und Karbaumer, "smart business people", die ihre Zeit effektiv nutzen wollen, lieber schneller von der Arbeit heimkommen, damit sie später mehr Zeit fürs Joggen im Wald haben. Sagen sie wirklich so, und weil die smarten Geschäftsleute in ihren Anzügen überall Zugriff auf einen Urbo haben sollen, träumen die Entwickler von Mobilitätsstationen an Münchner Kreuzungen, an denen man sich den Miniflitzer ausleihen kann, selbstverständlich über eine Smartphone-App vorab reserviert. Die App könnte auch als Navi funktionieren, man gibt vorher das Ziel im Handy ein und der schlaue Urbo bringt einen dann dorthin.

Der Businessplan steht bereits, auch dafür haben sie einen Preis bekommen. Unter 2000 Euro soll der Urbo kosten, also noch erschwinglich sein. Man sieht schon: Der Start-up-Inkubator der Hochschule ist in der Tat eine Brutstätte für gewagte Ideen. Verfolgen kann man die Entwicklung auf der Facebook-Seite der Urbo-Crew.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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