Erfahrungen eines Vorreiters:"Wir haben die Gunst der frühen Stunde genutzt"

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Thomas Stockerl ist Vorstand der Geothermie Unterschleißheim, die bereits seit 2003 erfolgreich in Betrieb ist

Interview von Günther Knoll, Unterschleißheim

Die ersten in Stadt und Land München, welche die Geothermie nutzten, waren die Unterschleißheimer. 2003 ging die Geothermie Unterschleißheim (GTU) in Betrieb, eine hundertprozentige Tochter der Kommune. Vorstand ist Thomas Stockerl. Für ihn ist die Erdwärme ein einziger Erfolg.

SZ: Herr Stockerl, erinnern Sie sich an die Anfänge des Unterschleißheimer Geothermie-Projekts?

Thomas Stockerl: Damals ging es um die Bohrung für einen neuen Trinkwasserbrunnen, und da hat man überlegt, was passieren würde, wenn man tiefer bohrt. Aber da war ich selbst noch nicht dabei. Es gab dann auch schon Erding mit der Therme und ein Projekt in Simbach/Braunau. Was in Unterschleißheim folgte, war eine Machbarkeitsstudie und 1999 kam es zur Gründung der GTU. 2003 begann der Betrieb mit der Versorgung des benachbarten Hallenbads und zu Beginn der Heizperiode ging man ans Fernwärmenetz.

Es gab ja damals hier noch wenig Er- fahrungswerte in Sachen Geothermie. Musste die GTU als Vorreiter Lehrgeld zahlen?

Wir waren damals wirklich Pioniere und mussten unsere Erfahrungen selbst sammeln. Generell ist bei der Geothermie kein Standort mit dem anderen direkt vergleichbar. Wir hatten Glück und haben gut kalkuliert. Denn wenn ich zurückschaue, hat bisher alles funktioniert. 2004 gab es einen Schadensfall, als die Förderpumpe abgestürzt ist. Es dauerte, bis wir eine neue bekamen. Die Kunden haben das aber nicht bemerkt, weil wir Kessel zum Zuheizen haben.

Mit welcher Leistung begann die GTU damals, und wie war das mit die Bereitschaft der Unterschleißheimer, auf Geothermie umzusteigen?

Wir begannen 2003 schon mit 20 Megawatt, das ist eine ganze Menge. Und wir hatten das Glück, dass die Kundenakquisition von Beginn an sehr erfolgreich war. Es schlossen sich gleich große Betriebe und Einrichtungen an. Wir haben uns damals auch sehr gefreut über die Bereitschaft der Unterschleißheimer Hausbesitzer. Zu Beginn hatten wir etwa acht Kilometer Leitungsnetz, jetzt sind es 17, 5 Kilometer. Da muss man strategisch planen, denn jeder Meter Netz kostet viel Geld. Wir brauchten eine Mindestabnahme, die die Rentabilität des Betriebs garantierte.

Was hat das Projekt bis jetzt gekostet und hat es sich bezahlt gemacht?

Bis jetzt haben wir rund 26 Millionen Euro bezahlt, etwa die Hälfte für das Netz, das ist auf die Dauer der größte Posten. Bohrung und dazugehörige Technik kosteten rund 7,6 Millionen. Die Geothermie ist keine Renditefrage, trotzdem muss man das auch wirtschaftlich sehen. Ursprünglich hatten wir erwartet, bis 2028 in der Gewinnzone zu sein. Doch wir haben schon 2014 die ersten Gewinne erwirtschaftet. Mit Hilfe der Stadt konnten wir Darlehen zurückzahlen und mit den Anschlüssen ist es besser gelaufen als erwartet. Wir haben auch sehr verantwortungsvoll gewirtschaftet. Dazu kommt: Wir haben die Gunst der frühen Stunde genutzt. Man muss aber auch die ökologische Bilanz sehen. 2014 haben wir mit der Geothermie den Ausstoß von 8500 Tonnen Kohlendioxid vermieden, insgesamt seit Start 85 000 Tonnen.

Wie ist der jetzige Stand und ist geplant, die Anlage weiter auszubauen?

Im Moment sind wir bei einer Leistung von 33,5 Megawatt, das war eigentlich unser Ziel. Und zu 76,5 Prozent wird diese Leistung mit Geothermie erreicht. Das ist ein Indiz dafür, wie gut die Anlage läuft. Wir versorgen gut ein Viertel von Unterschleißheim mit Fernwärme. Aber wir hören nicht auf. Die Anlage hat das Potenzial für 43 Megawatt und die Struktur des Orts lässt weitere Anschlüsse zu. Bei größerem Bedarf besteht auch die Möglichkeit einer zweiten Bohrung. Aber das ist Vision.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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