SZ-Interview:"Die salafistische Szene ist sehr jugendaffin"

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Verschiedene Experten, unter anderem vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, referieren über Prävention und Deradikalisierung. Jugendamtsleiterin Gittler-Reichel zieht ein positives Fazit des Fachtags

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus: So lautete der Titel eines Fachtages, den das Freisinger Jugendamt kürzlich veranstaltete. Als Referenten geladen waren verschiedene Experten, unter anderem vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz. Etwa 45 Teilnehmer kamen: Mitarbeiter aus unterschiedlichen Einrichtungen, aber auch Vormünder unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Die Radikalisierung werde bei den Fachkräften zu einem immer größeren Thema, sagt Jugendamtsleiterin Arabella Gittler-Reichel im Gespräch mit der SZ.

SZ: Frau Gittler-Reichel, weshalb diese Fachtagung?

Arabella Gittler-Reichel: Es ging bei der Fachtagung darum, Infos zur Prävention zu bekommen - und damit Sicherheit im Umgang mit den Jugendlichen zu gewinnen.

Gab es bereits Vorfälle im Landkreis?

Es gab den ein oder anderen Fall. Deshalb wollen wir - und vor allem die Mitarbeiter in den Einrichtungen, die Kräfte im Fachdienst unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und die Amtsvormünder - sensibler darauf achten, um schon bei den ersten Hinweisen handeln zu können.

Was genau ist passiert?

Ein Jugendlicher hat zum Beispiel immer wieder geäußert, er habe nur einen einzigen Freund und dieser sei "Allah", um ihn herum gebe es nur sehr wenig "echte Moslems" und dies sei schlecht. Er zog sich verstärkt aus dem Gruppenalltag zurück und beschäftigte sich nur noch mit seinem Handy.

Sind das die ersten Anzeichen für eine Radikalisierung?

Ein Hinweis ist, wenn sich ein Jugendlicher stark zurückzieht. Sich stark abgrenzt und beispielsweise Frauen nicht mehr die Hand geben will. Oder auf bestimmten Seiten im Internet neuerdings surft: Die salafistische Szene ist sehr jugendaffin, da muss man genau hinschauen. Ganz wichtig ist, mit den Jugendlichen im Dialog zu bleiben und herauszufinden, was hinter diesem Verhalten steckt. Es muss ja nicht unbedingt einen politischen Hintergrund haben.

Fühlt man sich als Betreuer in einer solchen Situation nicht überfordert oder alleine gelassen?

Es gibt Ansprechpartner, die weiterhelfen. Viele Stellen in Bayern, deren Mitarbeiter auch vor Ort unterstützen. Man wird beraten. Das Thema betrifft aber übrigens nicht nur junge Flüchtlinge, sondern auch deutsche Jugendliche. Hilfe und Infos bekommen die Eltern in den Erziehungsberatungsstellen, bei den Fachstellen und auf verschiedenen Internetseiten, wie www.antworten-auf-salafismus.de.

Welche Jugendlichen sind gefährdet?

Unsichere junge Menschen, solche, die auf der Sinnsuche sind, unzufrieden sind. Da besteht dann die Gefahr, dass sie anfälliger als gefestigte Jugendliche sind.

Was hat die Fachtagung gebracht?

Es war sehr hilfreich, Infos gebündelt zu bekommen. Beispielsweise zu erfahren, wo man sich Hilfe holen kann oder welche Internet-Seiten hilfreich sind. Ganz wichtig ist, bei den Jugendlichen immer wieder nachzufragen und betroffene Jugendliche, die sich vielleicht auffällig benehmen oder äußern, in einer solchen Situation nicht abzuwehren.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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