Rechtsstreit:Auf Distanz

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Es ist schön ruhig dort draußen. Verständlich, dass die Anwohner diese Idylle schätzen. Bloß gesetzeskonform sei dies nicht, darauf beharrt die Gemeinde. (Foto: Renate Schmidt)

Die Bewohner einer Wochenendhaussiedlung in Notzingermoos wollen bleiben, das stellen ihre Anwälte klar. Ein ergänzter Bebauungsplan der Gemeinde Oberding ändert daran nichts. Jetzt muss das Landratsamt entscheiden

Von Regina Bluhme, Oberding

Der Streit um das Wochenendhausgebiet Notzingermoos geht weiter. Dort wird mehr als die Hälfte der Gebäude als fester Wohnsitz genutzt, was laut Bebauungsplan verboten ist. Um gegen mögliche Klagen gewappnet zu sein, hatte die Gemeinde Oberding den Plan ergänzt und 2016 erneut öffentlich ausgelegt. Das Ergebnis wurde jetzt in der Gemeinderatssitzung präsentiert: Anwohner pochen per Anwaltsschreiben weiter auf ihr Erstwohnsitzrecht. Nun ist die Unteren Bauaufsichtsbehörde am Zug, das Landratsamt Erding.

Seit Jahren streiten Anwohner der Siedlung mit der Gemeinde Oberding. Es geht um den Bebauungsplan Nr. 67 "Sondergebiet Notzingermoos Wochenendhausgebiet", die letzte Fassung stammte aus dem Jahr 2006. Von Anfang an war in dem Gebiet permanentes Wohnen untersagt, was einige Grundstücksbesitzer nicht daran hinderte, hier ihren Erstwohnsitz links und rechts der Stichstraße Am Waldrand einzurichten. Das Landratsamt hatte 2013 ein Sanierungskonzept erstellt, das eine dauerhafte Wohnnutzung für unzulässig erklärte. Ausnahmen gelten für die, die vor dem Stichtag 28. Juli 2006 dort wohnten.

Ruhe kehrte aber nicht ein. Anwälte der Anwohner verwiesen auf fehlerhafte oder fehlende Ausführungen im Bebauungsplan und erklärten die Festsetzungen für ungültig. Oberding sieht das anders, Geschäftsstellenleiter Josef Steinkirchner sprach in Gemeinderatssitzungen immer nur von "vermeintlich fehlerhaften" Ausführungen. Nichts desto trotz ergänzte Oberding den Bebauungsplan um einige Formulierungen und legte zum Beispiel genau fest, wie viel Prozent eines Grundstücks maximal überbaut werden dürfen. "Wir wollen den Plan wasserdicht machen, sollte es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen", betont Steinkirchner.

Im Moment sieht es auch ganz danach aus, als würde es vor Gericht gehen. Im Zuge der erneuten öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans im vergangenen Jahr flatterten der Gemeinde Anwaltsschreiben ins Haus. Im Namen mehrerer Grundstücksbesitzer verweist eine Münchner Kanzlei darauf, dass für die vorhandenen Gebäude ein Bestandsschutz bestehe, "da diese über einen längeren Zeitraum legal existierten und legal als Wohnhäuser genutzt wurden". Sowohl Landratsamt als auch Gemeinde sei dies "seit Jahrzehnten bekannt". Der Bestand sei von den Behörden "ausdrücklich geduldet" worden.

Tatsache ist, dass einige Anwohner ganz offiziell bei der Gemeinde ihren Erstwohnsitz in der Wochenendsiedlung angemeldet haben. Einen Widerspruch kann Steinkirchner trotzdem nicht erkennen: "Melde- und Baurecht sind in Deutschland klar getrennt", betont er. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Die Gemeinde verweist darauf, dass die Wohnnutzung eben nicht legal war. "Sie war baurechtlich nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig", heißt es in der Stellungnahme, die der Gemeinderat einstimmig befürwortete. Und weiter: Soweit keine Baugenehmigungen existieren, bestehe auch kein Vertrauensschutz, wie er von Anwaltsseite gefordert wird.

Die Anwälte monieren weiter, der neu ausgelegte Bebauungsplan berücksichtige nicht, dass mittlerweile in dem Gebiet die Wohnnutzung überwiege "und hier über 20 Personen ihren Hauptwohnsitz haben". Das Gebiet sei erschlossen mit Müllabfuhr, Postzustellung, Strom- und Telekommunikation, Schneeräumdienst, Wasserversorgung und Kanalisation und entspräche daher dem, "was für Wohnnutzung erforderlich und üblich ist". Ein bisschen verschnupft stellen die Anwälte außerdem fest, dass sich Oberding "nicht am städtebaulich relevanten vorhandenen Bestand orientiert, sondern allein an taktischen Erwägungen der Gemeindeverwaltung". Die Antwort lautet: "Die Gemeinde hält an ihrer Planungskonzeption fest, dass es bei dem Gebiet bei einem Wochenendhausgebiet bleiben soll." Punkt.

Einen weiteren Vorschlag der Anwälte, die Siedlung als Kleinsiedlungsgebiet festzusetzen und dort permanentes Wohnen zu erlauben, hatte die Gemeinde bereits im vergangenen Jahr abgelehnt. "Man kann doch nicht einfach entgegen der Festsetzungen des Bebauungsplans bauen und anschließend fordern, dass der Bebauungsplan abgeändert wird", ärgert sich der Geschäftsstellenleiter. Laut Steinkirchner haben sich Gemeinde und Anwohner zu einem Gespräch getroffen. Es habe in einer "sachlichen, ja netten Atmosphäre" stattgefunden. Ein gemeinsamer Nenner wurde aber offensichtlich nicht gefunden.

Der Satzungsbeschluss wird in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen gefällt. Sobald der Bebauungsplan in Kraft tritt, ist das Landratsamt Erding als Untere Bauaufsichtsbehörde am Zug. Ein Sanierungskonzept für das Wochenendhausgebiet steht. Wie das Amt bereits 2016 erklärt hatte, soll anhand dieses Konzepts jeder Fall einzeln geprüft werden. "Sofern dann erforderlich und angemessen" könnten auch Bescheide zur Nutzungsunterlassung erlassen werden, teilt das Landratsamt mit. Gegen diese Bescheide könnten die Anwohner dann klagen, informiert Josef Steinkirchner.

Vor ein paar Monaten hatten einige Anwohner noch eine andere Idee: Sie überlegten, sich nach Hallbergmoos eingemeinden zu lassen. Bürgermeister Harald Reents (CSU) bestätigte eine Anfrage, verwies aber auch darauf, dass er diese Angelegenheit "im Sinne guter nachbarschaftlicher Zusammenarbeit" mit Oberding angehen wolle. Zuviel Hoffnung sollten sich die Anwohner nicht machen, denn Reents hatte hinzugefügt: "Geltende Baugesetze lassen sich auch nicht durch eine Umgemeindung verändern."

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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