Neophyten:Rückzugsgefechte

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Der Riesenbärenklau wird wegen seiner Größe auch noch Herkulesstaude genannt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bund Naturschutz und Landratsamt sind sich einig: Der Kampf gegen invasive Pflanzenarten wie der Riesenbärenklau ist nicht mehr zu gewinnen. Man beschränkt sich auf punktuelle Maßnahmen, um einheimische Arten zu schützen

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Der Kampf gegen die Neophyten ist schon lange verloren, es geht nur noch darum, sie dort zu reduzieren, wo die Gefahr besteht, dass wertvolle einheimische Vegetation verloren geht." Was das Thema sogenannter invasiver Pflanzenarten betrifft, ist der Geschäftsführer des Kreisverbands Erding des Bund Naturschutz (BN), Manfred Drobny, Realist geworden. Drei dieser Arten, die eigentlich in Deutschland nicht vorkommen, machen den Naturschützern besonders Probleme: der Riesenbärenklau, das Indische Springkraut und die Kanadische Goldrute.

Aber auch am Landratsamt ist man realistisch geworden, was den Kampf gegen Neophyten betrifft: "Macht es noch Sinn? Die meisten Experten halten eine flächendeckende Bekämpfung wegen der geringen Erfolgsaussichten bei vielen Arten wie Goldrute und Indisches Springkraut für nicht angebracht. Dies schließt eine Bekämpfung invasiver Neophyten im Einzelfall nicht aus, eine vollständige Verdrängung ist ohnehin nicht mehr möglich", teilt Pressesprecherin Claudia Fiebrandt-Kirmeyer mit.

Der Begriff Neophyten kommt aus dem Griechischen und heißt in etwa "neue Pflanzen". Sie sind unter bewusster oder unbewusster Mithilfe des Menschen in ein Gebiet gelangt, in dem sie natürlicherweise nicht vorkommen. Zum Beispiel der Riesenbärenklau. Ursprünglich ist er im Kaukasus beheimatet. 1982 wurde er laut Bund Naturschutz zum ersten Mal von einem Hobbygärtner in Dransfeld aus Samen gezogen und verbreitet sich seitdem explosionsartig, weil die Pflanze bis zu 10 000 Samen hervorbringt. Die Art verdrängt einheimische Arten und ist erosionsfördernd, da ihre Pfahlwurzel nicht der Uferbefestigung dient. Ihr Saft ist in Kombination mit Sonnenlicht giftig, ihre Pollen sind zudem für Allergiker ein Problem. Sie muss wegen ihrer schädlichen Wirkungen mit großem Aufwand gerodet oder mit Flammen vernichtet werden.

Was wegen seiner Giftigkeit auch für die Naturschützer nicht ganz ungefährlich ist, wie Manfred Drobny sagt. Die akut größten Probleme mache aber die Kanadische Goldrute. "Während bei den meisten Arten einmal im Jahr abmähen langt, hilft das bei der Goldrute nur kurz. Sie hat ein sehr großes Wurzelwerk und müsste schon großflächig völlig aus dem Boden geholt werden", sagt der BN-Kreisgeschäftsführer. Und das mache sehr viel Arbeit.

An der Ausbreitung sei sehr häufig der Mensch aktiv schuld. So habe man früher den Riesenbärenklau häufig in der Nähe von Bienenstöcken gefunden. "Für die Imker war die Pflanze im Spätherbst eine sehr gute Nektarquelle, deshalb haben sie ihn ausgesät." Das müssten eigentlich die Imker mittlerweile wissen und es unterlassen, hofft Drobny. Der Klimawandel habe zudem seinen Anteil, da Wärme die Ausbreitung begünstige. "Überall dort, wo Reste von Bäumen oder Pflanzen liegen bleiben oder wenn sich durch menschlichen Eingriff an Bachufern einheimische Pflanze schwer tun, ist der Boden für Neophyten bereitet", sagt Drobny. Sehr viel Arbeit hätten die Naturschützer mit invasiven Arten im Viehlassmoos und an der Gfällach.

Aus medizinischer Sicht ist nach Ansicht des Landratsamtes außer dem Riesenbärenklau die Beifuß-Ambrosie problematisch, sie würde aber nur örtlich begrenzt auftreten. "Aus ökologischer Sicht sind das Indische Springkraut und die Goldrute hochproblematisch, vor allem wegen ihres großen Verdrängungspotenzials. Momentan stellt vor allem der Riesenbärenklau im westlichen Landkreis eine Herausforderung dar. Alle großen Auenlandschaften, Gewässerläufe, das Erdinger Moos und zahlreiche Wälder sind betroffen."

Vom Landratsamt beschränkt man sich bei den Abwehrmaßnahmen "auf spezielle oder hochgradig problematische Bereiche". So seien "konzentrierte Aktionen" geplant oder wurden bereits umgesetzt. Unter anderem in den Gemeinden Moosinning, Forstern und Isen gegen das Springkraut, in der Gemeinde Oberding, im Flughafenumland und im Eittinger Moos gegen den Riesen-Bärenklau. Jährliche Einzelaktionen würden nach Bekanntwerden von Standorten gegen die Beifuß-Ambrosie durchgeführt. "Generell wird und wurde durch Information und Mobilisierung der Bevölkerung, insbesondere der Vereine, Verbände und Schulen einzelfallbezogen versucht, in organisierten Aktionen zusammen mit den Grundeigentümern Bekämpfungsmaßnahmen durchzuführen", sagt Fiebrandt-Kirmeyer. Der Riesenbärenklau lasse sich zum Beispiel durch eine wiederholte Mahd zurückdrängen. Die chemische Behandlung problematischer Neophyten scheide "im Regelfall" aus.

Die EU hat erst in diesem Jahr die "Unionsliste" invasiver Arten erweitert, von 37 auf 49 Pflanzen. Sie alle beeinträchtigten mit ihrer Ausbreitung Lebensräume, Arten oder Ökosysteme und schadeten daher der biologischen Vielfalt. Über die Liste wurde seit der Veröffentlichung eines ersten Entwurfs 2015 gestritten. Hauptkritikpunkt: Die gelisteten Arten würden nur einen Bruchteil der EU-weit als invasiv angesehenen Arten ausmachen. Riesenbärenklau und Drüsiges Springkraut kamen erst 2017 auf die Liste.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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